Wie viel regionale Autonomie verträgt nun Europa und die EU? Das war Thema am Mittwochabend einer Diskussionsrunde, die der BRF zusammen mit dem Deutschlandfunk in Brüssel organisiert hat. Die Sendung war auch auf BRF1 live zu hören.
Autonomiebestrebungen müssten dort geklärt werden, wo sich der Konflikt auftut, sagte Karl-Heinz Lambertz, der als Vorsitzender des Ausschusses des Regionen bei der EU an der Diskussion teilgenommen hat: "Wir haben es hier mit einer spanischen Problematik zu tun, die muss auch in Spanien von den Spaniern gelöst werden."
In Spanien hätten die Zentralregierung und die Regionalregierung zwischen 2006 und 2010 die Bereitschaft verloren, nach einem für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu suchen und das habe die Situation eskaliert, so Lambertz weiter.
Der Dialog müsse also wieder beginnen, noch dazu, wo es ja nicht mal klar ist, ob eine Mehrheit der Katalanen eine Unabhängigkeit will. Diederik Demuynck von der N-VA war ebenfalls auf dem Podium. "Am 21. Dezember gibt es eine Wahl in Katalonien und eigentlich ist diese Wahl ein Referendum und ich bin ganz gespannt, was da passieren wird."
Sollte sich Katalonien erfolgreich abspalten, würde das Schwung für andere Regionen mit ähnlichen Tendenzen bringen, sagte unser dritter Gast, der Zeit-Journalist Ulrich Ladurner. Aber Karl-Heinz Lambertz hat in diesem Zusammenhang noch einmal klar gemacht, dass Autonomie und Separatismus zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Autonomie könne separatistische Tendenzen sogar eindämmen.
In Schottland hat es 2014 ein Referendum zum Loslösen von Großbritannien gegeben, jetzt Katalonien. Regionalistische Bestrebungen haben gerade in den letzten Jahren an Fahrt gewonnen. Es gibt in den Regionen, die nach Autonomie oder gar völliger Unabhängigkeit streben, natürlich so etwas wie ein Nationalgefühl und sicher auch finanzielle Interessen, weil diese Regionen fast immer reichere Regionen sind, aber es gibt auch noch einen anderen Aspekt. "Der europäische Kontinent steht stark unter Druck von außen. Nehmen Sie die Migration, nehmen sie die Globalisierung. Dann sagen die Leute, wir bauen uns jetzt eine kleine Wagenburg und glauben in kleineren Einheiten, dem besser widerstehen zu können", glaubt Ulrich Ladurner.
Europa ist als Club der Nationalstaaten gegründet und auch dementsprechend aufgebaut worden. Da kommen Regionen nicht vor, wenn es um Entscheidungen geht. Doch diese Regionen gelte es mehr einzubeziehen, sagte Karl-Heinz Lambertz: "Ich glaube aber, die Lösung ist, Europa dort stark zu machen, in den Dingen, wo man Europa Verantwortung gibt. Die Nationalstaaten in ihrem Bereichen tätig werden zu lassen. Und dann an die einzelnen Situationen angepasste Autonomie zuzulassen. Damit das ganze Gebäude von der Basis bis an die Spitze solide dasteht. Da liegt die Zukunft für ein Europa der Regionen."
Also: Mehr Europa, aber auch mehr Regionen - doch das Europa dergestalt umzubauen, ist wohl noch ein weiter Weg.
Olivier Krickel