Eine Stadt bei Nacht, betrachtet von einer Anhöhe. Ein Fluss durchzieht das Stadtbild, moderne Architektur trifft auf klassische Bauten. Eine von unten angeleuchtete Kathedrale sticht hervor. Ein paar Bilder weiter ein Porträt. Eine junge Frau, ganz in schwarz gekleidet, lockere Pose, blickt selbstbewusst lächelnd in die Kamera. Immer mehr Motive fügen sich so zu einem Bild zusammen. Ein Bild der Menschen, der Städte und Dörfer und des ganzen Landes.
"Der Schwerpunkt sind immer die Menschen", sagt Willi Filz. "Zwischendurch gibt es natürlich auch Landschaften, wie die Übersicht von Tiflis oder andere Motive, die jetzt nicht so direkt Porträt sind. Aber eigentlich ist das schon der Schwerpunkt - und der rote Faden entwickelt sich dann automatisch."
Insgesamt dreimal war der Fotograf in Georgien. Ein Land, von dem auch er nicht viel kannte, von dem er sich treiben ließ und so das "kulturelle Selbstbewusstsein" des Vielvölkerstaats entdeckte. "Da bin ich also wirklich nach dem alten Prinzip des Flaneurs losgegangen. Ich bin morgens aus dem Hotel gegangen und einfach losgezogen. Habe einfach die Sinne geöffnet, geschaut und gespürt, was da passiert. Was kann für mich als Bild oder Motiv interessant sein?"
Herausgekommen sind Bilder eines "melting pots", eines Schmelzteegels, wie Willi Filz das Land bezeichnet. An der ehemaligen Seidenstraße gelegen und bestimmt von europäischen und asiatischen Einflüssen. Die Serie "Georgien" vermittelt die Neugier, mit der ein Reisender unterwegs ist.
Der Neugier und dem Entdecken stellt Willi Filz in der zweiten Serie das Erinnern gegenüber. "Das ist eine Serie, die ich schon 2011 angefangen habe: 'Souvenir du souvenir', also die Erinnerung der Erinnerung. Die Fragestellung ist: Was bleibt von der Erinnerung, wenn sie weggeht? Dann entwickelt sich die Frage: 'Was ist Erinnerung?'. Diesen Komplex versuche ich zu erarbeiten."
Viele der Bilder sind auf Friedhöfen entstanden. Es geht um Formen und Möglichkeiten des Erinnerns. Die Motive werden allerdings nicht wie klassische Fotos festgehalten. "Ich bin auch da andere Wege gegangen. Die Bilder sind auf handgeschöpftem Büttenpapier ausgedruckt", erklärt Filz. "Das gibt dem Ganzen einen ganz anderen Aspekt - weniger realistisch, als wir üblicherweise gewohnt sind von Fotografie." Die Konturen sind nicht immer ganz scharf, Farben nicht ganz so intensiv. So verhalten sich die Bilder auf dem Papier, wie der Gedanke in unserer Erinnerung: konkret und doch etwas verzerrt.
Zwischen den beiden Räumen der Galerie Fox erfährt die Serie "Souvenir du souvenir" eine Erweiterung. Ausgehend von fünf Bildern schrieb der Eupener Komponist Christian Klinkenberg fünf mikrotonale Arrangements. Kurator und Inhaber der Galerie Fox, Michael Bohn, erklärt das Zusammenspiel. "Willi Filz hatte mir gesagt, dass diese Musik existiert, ich wusste es nicht. Christian Klinkenberg hat mir dann die Sounddateien zugeschickt und ich war sofort begeistert, denn ich interessiere mich sehr für experimentelle Musik", so Bohn.
"Ich habe gesagt, dass wir das irgendwie in die Ausstellung integrieren müssen. Und dann habe ich diese Installation gemacht, die sich selbst einschaltet, wenn man genau zu diesen Bildern kommt. Die Musik geht aus nach einer Minute, aber solange man die Bilder anschaut, läuft die Musik dazu."
Michael Bohn freut sich, dass Willi Filz nun in der Galerie Fox zu Gast ist und dabei eine große Ausstellung präsentiert, wie Michael Bohn betont. Auch Willi Filz sieht trotz zwei voneinander getrennten Serien Gemeinsamkeiten. "Es sind zwei Seiten meiner Seele", sagt der Fotograf. "Das eine ist die Reflexion über das, was passiert. Wie ist es? Und die zweite ist einfach das Losziehen in die Welt hinaus, um zu schauen, was da ist: versuchen zu verstehen, zu begreifen, was da passiert durch meine Fotografie."
Und so lädt die Ausstellung auch den Besucher zum Nachdenken ein. Über das Entdecken, Verstehen und Erinnern. Beide Serien leisten dazu ihren Beitrag.
Bis zum 9. Mai ist die Ausstellung noch zu sehen. Geöffnet ist die Galerie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Andreas Lejeune