Edouard Kartheuser und sein Enkel Julien Kartheuser haben sich in Recht getroffen. Sie sind gerade bei der Aussaat und arbeiten im Garten. Die Sonne scheint, immer mal wieder macht Julien Kartheuser die Kamera an und filmt seinen Großvater. Der erzählt, worauf es ankommt bei der Aussaat. Dann sind es Kindheitserinnerungen, die im Mittelpunkt des Gesprächs stehen, schließlich ist es der Krieg. Und all das will Julien Kartheuser wissen.
"Wenn wir alle diese Kartoffeln ernten und zum Kartoffelkeller bringen, dann kommt eine andere Geschichte von diesem Keller. Mein Opa ist da mit einem Dutzend Leute geblieben während des Kriegs", erzählt Julien Kartheuser. "Dort wurde bombardiert, wie in ganz vielen Städten und Dörfern in den Ostkantonen. Und dann kommen natürlich diese Geschichten über den Krieg."
Julien Kartheuser kommt aus Lüttich. Vor drei Jahren verbrachte er ein Austauschjahr in Deutschland. Dort lernte er Deutsch. Um die Sprache seiner Großeltern zu sprechen und zu erfahren, wie es war, im Krieg aufzuwachsen. Aber auch um zu lesen. "Als ich zurückkam, haben wir Hunderte Briefe von meinem Urgroßvater, der aus Recht kommt, der Papa von Opa, gefunden, die er in Russland geschrieben hat während des Kriegs. Diese Briefe hatte ich, aber auch Opa, nie gelesen."
Julien Kartheuser digitalisiert die Briefe und schenkt sie seinem Großvater. Der kann nun das Leben seines Vaters nachlesen und nachvollziehen. Dazu gehört der Einzug in die deutsche Armee und der Alltag an der Front, weit weg von zu Hause. "Ich war ein kleiner Junge, der immer revoltierte. Da hatte er mal ein Schiff mitgebracht, ich habe das natürlich sofort probiert und dabei hatte ich etwas kaputt gemacht. Da war er sehr aufgeregt", erinnert sich Edouard Kartheuser. "Und ich verstehe es jetzt. Weil in so einem Krieg zu sein und dann zurückkommen - das ist schwer."
1944 schreibt Joseph Kartheuser seinen letzten Brief aus Lettland. Es folgt kein weiteres Lebenszeichen. Julien Kartheuser möchte, gemeinsam mit seinem Großvater, wissen warum. Seine Suche nach Antworten hält er nun filmisch fest. "Diese ganze Recherche wird die rote Linie vom Film sein. Wir finden und lesen die Briefe, dann übersetzen wir sie. Wir zeichnen seinen Weg von Russland, durch Estland, nach Lettland."
Gemeinsam mit einer Produktionsfirma treibt Julien Kartheuser sein Projekt voran. Dazu gehören Budget, Zeitplan, Drehbuch. Dinge, die Julien Kartheuser lernen musste. Nun aber läuft sein Projekt, das 2022 fertig gestellt werden soll. Der Name des Films: Backes. 2018 hat sein Vater das alte Backhaus geschenkt bekommen. Für Julien Kartheuser Anlass, sich mit seinen Wurzeln in der Ostkantone zu beschäftigen.
"Eigentlich ist das Backes in der Mitte von allem. Ich sehe das Backes mehr wie einen Charakter. Es ist nicht nur ein Haus. Es ist fast eine Person mit einer Stimme. Und diese Stimme hört man durch die Kartoffeln, durch den Keller, durch alle Geschichten, die hier passiert sind."
Der Film verspricht einen frischen und deshalb vielleicht neuen Blick auf die Ostkantone. Vor allem aber will er zeigen, welche persönlichen Schicksale mit den kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden sind. "Wenn er mir nicht die Briefe gezeigt hätte, glaube ich, hätte ich das nicht mehr alleine gemacht. Und ich wundere mich jetzt, weshalb ich nicht gefragt habe", sagt Edouard Kartheuser.
Die Suche nach Antworten geschieht nun gemeinsam. Dafür hat Julien Kartheuser bereits einige Szenen festgehalten. Eine letzte Szene steht noch aus - gemeinsam mit seinem Großvater möchte er nach Lettland reisen und das Land besuchen, aus dem der letzte Brief gesendet wurde.
Wer Julien Kartheuser und sein Projekt unterstützen möchte, kann das über die laufende Crowdfunding-Kampagne machen.
Andreas Lejeune