Gewitter und Regengüsse haben dem deutschen Spielfilm "Iceman" ("Der Mann aus dem Eis") die Uraufführung auf dem 70. internationalen Filmfestival in Locarno vermasselt. Statt wie geplant als Freiluftaufführung vor etwa 8.000 Zuschauern auf der Piazza Grande des Schweizer Urlaubsortes am Lago Maggiore, fand die Galapräsentation in einem Kino statt, das lediglich 2.000 Zuschauern Platz bietet. Die allerdings folgten dem emotional aufgeladenen Geschehen um Leben und Sterben des Ötzi mit Spannung und Anteilnahme.
Titeldarsteller Jürgen Vogel hatte extra für einen Tag die Dreharbeiten zu einem neuen Film unterbrochen, um zum Festival zu kommen: "Die Atmosphäre in Locarno ist so einmalig, das wollte ich auf keinen Fall versäumen." Dabei verriet er, froh zu sein, nicht in der Steinzeit zu leben. Dazu sagte er: "Das Archaische würde mich schon reizen. Aber ich finde es gut, heute zu leben, mit all den Möglichkeiten, die wir haben." Schmunzelnd ergänzte der Star: "Schauspieler wurden damals sicher nicht gebraucht."
Neben Regisseur Felix Randau ("Die Anruferin") und anderen Mitwirkenden kam auch Italiens Alt-Star Franco Nero ("Django") nach Locarno. Er hat in dem Drama einen Gastauftritt als weiser Alter. Dazu sagte er: "Es war das reine Vergnügen für mich. Als Kind war ich immer in der Natur, habe gepflanzt, habe gejagt, habe gefischt. Deshalb habe ich gern in einem Film mitgespielt, in dem der Natur eine wichtige Rolle zukommt." Der 75-Jährige ergänzte: "Außerdem finde ich es toll, mit einem Regisseur zu arbeiten, der 30 Jahre jünger ist als ich. Das ist erfrischend."
Der aufwändig inszenierte und mit großartigen Landschaftaufnahmen fesselnde Film erzählt eine fiktive Geschichte um den Tod des als "Ötzi" bekannt gewordenen Steinzeitmannes, dessen Leiche 1991 nach mehr als 5.000 Jahren aus dem Eis der Ötztaler Alpen in Südtirol geborgen wurde. Dabei mischt er geschickt bekannte Fakten zum damaligen Leben der Menschen mit der frei erfundenen Fabel. Rache und Vergeltung sind dabei die entscheidenden Elemente. Kinofans fühlen sich wie in einem klassischen Western.
Wesentlich für die Wirkung des Films sind neben der äußeren Spannung die Fragen, die der Film mit Blick auf die Gegenwart stellt: Was macht das Mensch-Sein an sich aus? Wie können Leute aus unterschiedlichen Kulturen miteinander leben? Welche Faktoren ermöglichen ein Dasein in Würde? Damit weist der Film weit über die erzählte Story hinaus.
Wie in den Vorjahren schon des Öfteren, war auch an diesem Abend am Lago Maggiore etwas zu erleben, was es im weltweiten Filmfestival-Reigen wohl nur in Locarno gibt: Trotz des Regens und Gewittergrollens saßen einige Hundert Kinofans in Capes und unter Regenschirmen im Freien. Sie ließen es sich nicht nehmen, die parallel zur Gala gezeigte Vorführung auf der Piazza Grande zu verfolgen.
Von Peter Claus, dpa - Illustrationsbild: Jean-Christophe Bott/AFP