Ihren Anfang nimmt die Geschichte, wie so viele kreative Ideen in jüngerer Zeit, während Corona, beziehungsweise während der pandemiebedingten Reisebeschränkungen. Christiana Moreau lernte so das Hohe Venn wieder entdecken, das sie als junges Mädchen schon mit ihren Eltern kennengelernt hatte - mit seiner Natur, seinen Legenden und mit den Erzählungen über Menschen, die sich darin verirrt hatten:
"Während Corona durften wir ja das Land nicht verlassen. Ich ging also im Hohen Venn spazieren und erinnerte mich daran, dass ich dort als junges Mädchen mit meinen Eltern war. Es hat mir wirklich Spaß gemacht, das Venn wiederzuentdecken. Und ich fand, dass es genügend Stoff für einen guten Roman hergab, mit seinen Legenden, Gefahren, mit Menschen, die sich verirren. “
Besonders angetan hatte es ihr die Geschichte vom Kreuz der Verlobten, das an François Reiff aus Bastogne und Marie Solheid aus Xhoffraix erinnert, die sich im Hohen Venn verirrten und dort umkamen. Das spielt auch in ihrem Roman eine zentrale Rolle bis hin zur (wohl nicht zufälligen) Namensgleichheit mit ihren Protagonisten: François und Maria, zu deren nur auf den ersten Blick romantischer Beziehung sich eine Lucie gesellt.
Daneben fühlte sich Christiana Moreau von der besonderen Historie der Region angezogen - mit ihren häufigen Grenz- und Staatenwechseln und mit ihren unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen:
"Ja, die mehr wallonische Seite bei François oder die mehr deutsche Seite bei Maria. Ich habe recherchiert, von Zeitzeugen gelesen und festgestellt, dass manchmal sogar innerhalb einer Familie die Menschen auseinandergerissen wurden. Das war eine sehr komplizierte Zeit“.
Liebesgeschichte und Historienroman
Detailliert beschrieben wird aber beispielsweise auch die Untergrundarbeit im Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Lüttich, wohin es den jungen François zieht, oder der "Reichsarbeitsdienst", zu dem Maria verpflichtet wird:
"François wird sich in Lüttich dem Widerstand anschließen. Und ich beschreibe, wie er in einer Druckerei arbeitet, weil ich selbst in einer Druckerei gearbeitet habe. Und Marias wird ihrerseits eine Zeit im Reichsarbeitsdienst in Deutschland leisten."
Und dann erzählt Christiana Moreau auch die lange tabuisierte Geschichte der sogenannten Besatzungskinder aus Beziehungen zwischen einheimischen Frauen und deutschen Soldaten. Und hier besonders die Tatsache, das im Schloss von Wégimont, heute ein Freizeitzentrum, während des Zweiten Weltkriegs ein sogenannter "Lebensborn" der Nationalsozialisten untergebracht war:
"Ich sagte mir: Das muss ich unbedingt in meinen Roman einbauen. Es war ein "Lebensborn", das heißt, eine Entbindungsstation für Frauen, die eine Affäre mit einem deutschen Soldaten hatten oder sogar Kinder, die manchmal aus einer Vergewaltigung hervorgingen. Und wenn es eine Frau war, die die Kriterien der arischen Rasse erfüllte, konnte sie dort entbinden und man sagte ihnen, dass sie die perfekten Kinder von morgen seien. Sie wollten die Nachfolge der perfekten Kinder antreten“.
Mit der "schwierigen" Nachkriegszeit streift Christiana Moreau dann auch noch in schnellen Zügen die Entwicklung hin zur Deutschsprachigen Gemeinschaft. Diese Passagen dürften ostbelgischen Lesern dann doch etwas oberflächlich vorkommen. Durch den anderen Blickwinkel der Autorin erfahren sie über die romaneske Geschichte hinaus aber auch Überraschendes und Wissenswertes.
Stephan Pesch