Kein klassischer Comic mit einer ausgedachten Geschichte und Sprechblasen ist "Brüssel. Der große Traum" aus der Feder von François Schuiten und Benoît Peeters. 2021 ist das Werk bereits im französischen Original erschienen. Jetzt hat es der Hamburger Verlag Schreiber & Leser in Deutsch veröffentlicht.
Die Autoren sind beide Kinder der Stadt, haben sich als Schüler kennengelernt und schon zahlreiche Comics zusammen veröffentlicht.
Großartiges Porträt von Brüssel
In "Brüssel" laden sie zu einem Streifzug durch Brüssel ein. Leitfaden sind historische Ereignisse. Mit der Bombardierung von Brüssel 1695 durch französische Truppen beginnt der Comic und führt über die Unabhängigkeitserklärung von Belgien, die Überbauung der Senne, Porträts einzelner Persönlichkeiten und Geschichten markanter Gebäude und Plätze bis hin zur Zeit der EU und dem Bau des Eisenbahnmuseums. Eigene, selbst verfasste Texte wechseln sich ab mit Texten von Zeitgenossen.
Vor dem Auge des Lesers entsteht dadurch ein großartiges Bild von Brüssel. Eine Stadt, die die beiden Autoren in ihr Herz geschlossen haben und das so auch in ihrem Vorwort schreiben.
Faszinierende Atmosphäre
Diese Liebe übertragen sie gelungen auf den Leser. Wobei neben den aussagekräftigen und lehrreichen Texten die phantastischen Zeichnungen von Schuiten eine große Rolle bei spielen. Diese Zeichnungen sind wieder - ganz typisch für Schuiten - meist großflächig, oft schwarz-weiß oder nur wenig koloriert. Reales vermischt sich oft mit Phantastischem und überraschenden Perspektiven. Daraus entsteht eine für Schuiten typische, ganz eigenartige, faszinierende Atmosphäre.
"Brüssel. Der große Traum" wird dadurch zu einem großartigen Städteführer zu Brüssel - eine Empfehlung für alle, die Brüssel ohnehin schon lieben oder es auch erst entdecken wollen.

Spannend, geheimnisvoll und erotisch
Etwas ganz anderes bietet der Comic "Wenn du zum Weibe gehst…", ebenfalls veröffentlicht von Schreiber & Leser. Hier geht es spannend, geheimnisvoll und erotisch zu. Das Original der beiden Belgier Patrick Delperdange und André Taymans ist schon 2004 unter dem Titel "Assassine" erschienen. Der Zeichner Taymans erhielt 2005 für diesen Comic den großen Preis der Comic-Expertenkammer Belgien.
Die Geschichte spielt in der Gegenwart irgendwo in einem kleinen Dorf im Winter. Die Frau des Protagonisten ist vor ein paar Wochen gestorben. Der Tod beschäftigt den Helden immer noch sehr. Mehr soll von der Handlung nicht verraten werden.
Preisgekrönte Zeichnungen
Dass Taymans für seine Zeichnungen in diesem Comic einen Preis bekommen hat, wundert zumindest aus heutiger Sicht. Denn die Zeichnung sind zwar gut, aber doch eher austauschbar mit anderen und entwickeln kein Alleinstellungsmerkmal wie zum Beispiel die Zeichnungen von Schuiten.
Die Geschichte liest sich flüssig und man lässt sich gerne auf sie ein. Alles in allem ist der Comic aber eher eine leichte Unterhaltung und sticht nicht unbedingt aus der großen Masse anderer guter Comics hervor.

Mittelalterliche Mystik trifft auf Gegenwart
Die Zeichnungen des dritten Comics, der im Berliner Verlag Reprodukt erschienen ist, stammen von dem Flamen Wauter Mannaert. Für seine "Yasmina"-Reihe ist auch er ausgezeichnet worden. Jetzt legt er mit "Quest. Teil 1: Die Dame vom See" den ersten Teil einer neuen Serie vor. Die Texte stammen diesmal von dem Franzosen Frédéric Maupomé. Die beiden vermischen in ihrer Geschichte mittelalterliche Sagenwelt aus der Zeit von König Artur mit dem aktuellen Hier und Jetzt.
Held des Comics ist ein vielleicht 13-jähriger Junge, der als Nachfolger eines Rittergeschlechts ein mystisches Tier finden soll. Das mussten seine Vorfahren auch schon, haben es aber nie geschafft. Bei seiner Suche trifft der Junge auf eine Seenymphe, die titelgebende "Dame vom See". Mit ihr macht er sich auf die Suche nach dem mystischen Tier, das es zu finden gilt.
Gefällig und sympathisch
Wenn "Wow" vielleicht ein übertriebenes Wort wäre, um den Comic zu bewerten, so ist das alles doch sehr ansprechend. Sowohl die Zeichnungen als auch die Figuren und die Dialoge kommen sympathisch und sehr gefällig rüber. Sowohl für Kinder als auch Erwachsene ist das Buch sicher eine schöne Unterhaltung.
Wobei es anders als bei der "Yasmina"-Reihe bis zum Ende nicht klar wird, ob die Geschichte noch etwas anderes möchte als nur eine nette Geschichte zu erzählen. Ging es bei "Yasmina" noch um Bio-Ernährung in einem modernen Großstadtmilieu, so scheint "Quest" frei von irgendeiner kritischen Auseinandersetzung mit einer besonderen Thematik zu sein. Vielleicht wird das im zweiten Band deutlicher, der im französischen und niederländischen Original im Februar erschienen ist.
Die Comics
- "Brüssel. Der große Traum" von François Schuiten und Benoît Peeters, Verlag Schreiber & Leser, 128 Seiten, 29,80 Euro
- "Wenn du zum Weibe gehst…" von Patrick Delperdange und André Taymans, Verlag Schreiber & Leser, 80 Seiten, 22,80 Euro
- "Quest, Teil 1: Die Dame vom See" von Frédéric Maupomé und Wauter Mannaert, Verlag Reprodukt, 120 Seiten, 20 Euro.
Kay Wagner