Merel heißt die Heldin von Clara Lodewicks Comic. Und Merel ist auch der Titel des Buchs, das im Original in französischer Sprache schon vor zwei Jahren erschienen ist. Merel ist, so lässt es die Geschichte vermuten, zwischen 40 und 50 Jahre alt, wohnt alleine am Rande eines flämischen Dorfes, in dem sie auch aufgewachsen ist. Einen Mann oder Kinder hat sie nicht. Dafür hält sie Enten und Gänse. Und nimmt mit ihnen auch an Wettbewerben teil.
Handlung
Der Comic fängt bei so einem Wettbewerb an. Gerade sind die Preise verteilt worden. Merels Ente hat keinen Preis gewonnen. Merel tröstet ihr Tier: "Aber nein: Du bist die allerschönste! Mach dir nichts draus. Die Jury hat einfach keinen Geschmack… Ist uns doch egal, oder? Hauptsache, du bist gesund".
Schnell kommen Merel und ihre Ente über die Enttäuschung hinweg. Denn in dem flämischen Dorf, in dem Merel wohnt, ist sie gut integriert. Bei der lokalen Fußballmannschaft kennt sie jeder, sie gehört dort quasi zum Mobiliar. Im Krämerladen des Ortes arbeitet eine Freundin. Die Mütter der beiden wohnen zusammen in einem Altersheim. Merel besucht die alten Damen regelmäßig.
Alles könnte gut bleiben, wenn da nicht plötzlich ein Gerücht im Raum stünde. Das Gerücht, dass Merel ein Techtelmechtel mit einem der verheirateten Fußballspieler hätte. Suzie, die Ehefrau des Mannes beginnt plötzlich schlecht über Merel zu reden. Suzies Sohn, der vielleicht zehnjährige Finn, bekommt das mit. Und weil er immer wieder seine Mutter schlecht über Merel reden hört, stellt er ihr eines Abends Fragen. "Mama? - Ja, Finn? - Warum ist Merel böse? - Du nervst mit dieser Geschichte. Hör auf damit. - Aber wie böse ist sie denn? - Ich weiß nicht. - Aber dann… - Sie bereitet uns viel Kummer! So! Reicht das?"
Das Mobbing gegen Merel nimmt Fahrt auf. Bald hat sie das ganze Dorf gegen sich. Jugendliche zerstechen die Reifen von Merels Auto. Auch Finn hat dabei mitgemacht. Merel bekommt das heraus, will sich bei Finns Eltern beschweren. Doch als sie merkt, dass bei den Eltern von Finn dicke Luft herrscht, lässt sie es mit ihrer Klage sein.
Wenig später taucht Finn bei ihr auf. Und zeigt sich reumütig: "Äh… Hey! - Was machst du denn hier? - Ich will mich entschuldigen. Und mich bedanken, dass sie meinen Eltern nichts gesagt haben. - Na ja. Bei der Stimmung, die bei euch zu Hause herrscht… Komm. Ich will ja nicht, dass du blaue Flecken bekommst. - Ich will mich wirklich entschuldigen. Ich kann Ihre Reifen nicht bezahlen, aber ich kann arbeiten!- Tss… und was genau? - Ich weiß nicht… Zu Hause füttere ich die Katze… und ich hab den Zaun gestrichen. - Du glaubst, du kannst einfach streichen, die Enten füttern und dann ist alles gut?"
An dieser Stelle hat der Leser die Mitte des Buches noch nicht erreicht, doch wie es weitergeht, soll hier nicht weitererzählt werden.
Comic zum Nachdenken
Thematisch ist Merel ein Buch über Mobbing, Freundschaft und Vergebung. Wie man damit umgeht, was es für den Einzelnen und eine Gruppe bedeutet, gerade auch im Leben in einem überschaubaren Dorf, wo jeder jeden kennt. Im Positiven, wie im Negativen.
Der Touch des flämischen Dorflebens taucht immer mal wieder auf im Comic. Durch die Namen des Biers, das man trinkt, das Lied, das im Radio ertönt, die Vereinskneipe des Fußballclubs, in der man sich trifft. Prägend ist das jedoch nicht für den Comic. Die Geschichte könnte genauso auch in einem Dorf in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden spielen.
Viel Belgien bekommt der Leser also nicht in dem Comic geliefert. Auch keine außerordentlich originellen Zeichnungen. Keine Dialoge, die erstaunt aufhorchen lassen. Alles ist solide gut und der eigene Stil von Clara Lodewick ist durchaus zu erkennen. Aber wie gesagt: Außerordentlich ist das nicht. Vielleicht durchaus bewusst.
Denn auf diese Art kann die Geschichte des Buches womöglich besser wirken. Sie macht den Comic zu etwas Besonderem, weil die Geschichte exemplarisch den Umgang der Menschen miteinander aufzeigt. An Helden, die nicht als Helden dargestellt werden, sondern wie Menschen, die auch wir sein könnten. Merel ist ein Comic, der zum Nachdenken anregt.
Buchdetails
Clara Lodewick: Merel
erschienen beim Verlag Carlsen Comics
160 Seiten
26 Euro
Kay Wagner