Christoph Driessen hat bereits ein Buch über die Geschichte der Niederlande geschrieben und muss zugeben, dass die Geschichte Belgiens besonders komplex ist: "Das muss ich definitiv sagen. Das habe ich jetzt auch an einigen Leserreaktionen wieder gespürt, die mir gesagt haben, das Niederlandebuch war ja viel übersichtlicher. Jetzt haben wir hier die burgundischen Niederlande, die habsburgischen, die spanischen, die österreichischen, die französischen, die Vereinigten Niederlande und dann noch Belgien. Das ist wirklich arg kompliziert."
Belgien existiert seit 1830 als unabhängiger Staat, das belgische Nationalgefühl ist aber älter. Die Brabanter Revolution 1790 gilt als Geburtsstunde eines belgischen Nationalgefühls. Damals wollte der österreichische Kaiser Joseph II. den Staat modernisieren. Etwa die Gleichheit vor dem Gesetz einführen, gleichzeitig aber die alte Stände-Ordnung abschaffen. Im Grunde ein Schritt in eine aufgeklärte Richtung.
Das aber hat den Bürgern nicht gefallen, und sie haben sich dagegen aufgelehnt und zwar in den unterschiedlichen Provinzen gemeinsam. Das gilt als der Beginn eines Nationalgefühls, auch wenn die Brabanter Revolution zwei Jahre später endgültig gescheitert ist.
Der Sprachenkonflikt kommt erst später auf, nachdem Belgien gegründet wurde. Vorher hat keiner dem anderen die Sprache zum Vorwurf gemacht.
Das änderte sich ab etwa 1840, als die Flamen mehr Respekt für ihre Sprache einforderten: "Es war der Kardinalfehler in der Geschichte Belgiens, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts die hier herrschenden Brüsseler, die reichen Bürger, die Industriellen gesagt haben, Französisch sei die Sprache dieses Staates. Es sei wohl abwegig, diese hässliche Sprache aus dem Norden dem Französischen gleichzustellen, das werde man auf keinen Fall mitmachen", erklärt Driessen.
Der Autor spricht in seinem Buch auch über die Kolonialzeit im Kongo und die Weltkriege. Ein interessanter Aspekt: Es waren die Deutschen, die im Ersten Weltkrieg die erste Trennung zwischen Flamen und Wallonen vorgenommen haben, weiß Historiker Christoph Driessen:
"Der damalige Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hatte erkannt, dass die Deutschen den Krieg gar nicht mehr gewinnen können. Da hatte er gedacht, sie müssten die Flamen auf ihre Seite ziehen, so dass die dann am Ende gar nicht mehr Teil dieses belgischen Zentralstaates sein wollen und sich an Deutschland anlehnen. Deswegen hat er alle möglichen Forderungen erfüllt, die die flämischen Nationalisten seit langem erhoben hatten. Zum Beispiel hat er die Universität Gent niederländischsprachig gemacht. Er hat den Flamen zum ersten Mal Autonomie gegeben."
Im Zweiten Weltkrieg hat sich Belgien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern vor allem durch intensiven Widerstand gegen die Nazis hervorgetan.
Fazit des Buches: Belgien hat eine spannende Geschichte. Christoph Driessen hat sie vor allem für ein ausländisches Publikum geschrieben. Aber auch vielen Belgiern ist diese reichhaltige Geschichte nicht in Gänze bekannt. Wenn man Belgien erklärt, bleibt man oft in der Gegenwart oder jüngeren Geschichte. Dabei haben Flamen und Wallonen historisch betrachtet doch sehr viel gemeinsam.
Olivier Krickel
Wo kann man dieses Buch kaufen ?
Hallo Herr Scholzen,
wir haben es schon bei Logos in Eupen im Regal stehen sehen. Es wird also höchstwahrscheinlich auch bei Thiemann in St. Vith zu kaufen sein.
Mit freundlichem Gruß
Die BRF-Webredaktion
Es ist auch im deutschen Buchhandel erhältlich (26,95 €).
Das Buch ist sehr unterhaltsam und informativ und für jeden verständlich. Ganz so neu ist aber nicht, denn es datiert bereits von 2018. Vor allem aber ist es eine der ganz wenigen deutschsprachigen Abhandlungen zu dem Thema, das im deutschsprachigen Raum leider nur steifmütterlich behandelt wird.
Also ich werde mir dieses Buch nicht kaufen, der obige Bericht ist viel zu plakativ und oberflächlich, auch zu klischeehaft. Z.B. Die scheinbare Einfachheit, die Niederlande zu erklären, gegenüber Belgien: Einen Teil dieser Geschichte hatten beide gemeinsam und die Aufzählung, was alles in Belgien war, stimmt so nicht. Habsburger ja, aber Österreicher ? Das ist was verschiedenes, ersteres eine Dynastie, zweiteres ein politischer Staat. Dann die Sprachsituation: wie billig ist das denn mit dem "hässlichen" Flämisch, Tatsache ist, dass es während der Anfangsphase kein allgemein gültiges Niederländisch gab, nur verschiedene Dialekte ohne einheitliche Schreibweise (wie auch lange in D) Und "herrschende Brüsseler" als eigene Gattung gab es auch nicht. Die gesamte belgische Bourgeoisie sprach Französisch, von Antwerpen, Brugge, Gent bis runter nach Bastogne und Arlon, übrigens bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Wie gesagt, es wimmelt nur so vor Ungenauigkeiten, nichts für mich.