Ein weiß getünchter großer Raum mit dunklem Boden, ein von Säulen getragenes Kreuzrippengewölbe mit hoher Decke, große Fenster, die zwar viel Licht hereinlassen, aber keinen Blick nach draußen erlauben. Wenn man hier einen Augenblick die Augen schließt und den vielstimmigen Gesang einfach auf sich wirken lässt, ist es nicht schwierig, sich ins sogenannte "Goldene Zeitalter" zurückversetzt zu fühlen. In die Zeit also der politischen, kulturellen und natürlich auch wirtschaftlichen Blüte des 15. und 16. Jahrhunderts.
Tatsächlich befindet man sich aber mitten im Museum der Königlichen Bibliothek in Brüssel, dem KBR-Museum. Genauer gesagt in der an das Museum angeschlossenen "Nassau-Kapelle". Die Kapelle bildet nicht nur das Herzstück des Museums, sondern auch den Ausgangspunkt für die Entdeckungsreise, die Besucher in die reiche burgundisch-habsburgische Kultur eintauchen lässt. Denn das Museum hat längst nicht nur Bücher und Manuskripte zu bieten, auch wenn das natürlich der Schwerpunkt ist.
Gemälde, Skulpturen, Medaillen, zeitgenössische Waffen, schlicht alle möglichen Objekte, die dabei helfen, Geschichte lebendiger zu machen, zählt Sara Lammens auf, die allgemeine Direktorin der Nationalbibliothek. Das Museum sei ständig in Bewegung, es verändere sich und entwickele sich weiter. Denn schließlich geht es nicht nur darum, die unschätzbar wertvolle Sammlung würdig zu präsentieren. Sondern auch darum, den Besuchern möglichst viel zu bieten.
Anschauen, Lesen, Berühren, sogar selbst aktiv werden – all das sei im Museum bereits möglich gewesen. Nun, nach der Wiedereröffnung, könne man aber etwas Neues: Hören. Das mache die museale Erfahrung also noch umfassender als vorher für die Besucher.
Dem Museum ist also eine neue, musikalische Dimension hinzugefügt worden. Einerseits, indem das Museum nun auch wirklich das musikalische Leben des Goldenen Zeitalters zeige. Und zwar zum Beispiel mit Erklärtafeln über die Musikschaffenden, aber natürlich auch mit unter anderem reich verzierten Lieder- und Chorbüchern. Allein in den luxuriösen und farbenfrohen Illustrationen dieser Werke könnte man sich schon ohne Weiteres stundenlang verlieren.
Aber es gibt eben auch noch die neue auditive Komponente. Nämlich die Klanginstallationen, die Hörstationen und die interaktiven Elemente, die es den Besuchern erlauben, das musikalische Erlebnis selbst zu modifizieren und dadurch besser zu verstehen. Denn diese mehrstimmige Musik, die sogenannte "Polyphonie", ist untrennbar verbunden mit dem Goldenen Zeitalter und deshalb zentraler Bestandteil des neuen Konzepts.
Ebenfalls neu ist der sogenannte "Vogelperspektive"-Parcours für Besucher: Die Vogelperspektive richte sich an Besucher mit etwas weniger Zeit, die aber trotzdem das Essenzielle mitnehmen wollten, führt KBR-Direktorin Lammens aus. Also an Menschen, die in etwa 45 Minuten ein bisschen mittelalterliches Ambiente erleben wollten und einfach einige der wichtigsten Stücke sehen wollten.
Daneben gibt es aber auch noch den sogenannten "Spielkind"-Parcours, der sich vor allem an Familien mit Kindern richtet. Und einen "Genießer"-Museumspfad. Der richtet sich, der Name legt es ja schon nahe, vor allem an Menschen, die sich Zeit nehmen und in aller Ruhe genießen wollen.
Das Museum versucht also, ein möglichst breites und diverses Publikum anzusprechen. Und das gelingt auch. Nicht zuletzt auch dank der neuen "Magie" der franko-flämischen polyphonen Musik. Mehr Informationen rund um das Museum der Königlichen Bibliothek in Brüssel gibt es auf der Webseite des KBR-Museums. Die Internet-Präsenz ist aktuell zwar nur auf Französisch, Niederländisch und Englisch vorhanden, die Audio-Elemente und Erklärtafeln der Ausstellung sind jedoch auch auf Deutsch verfügbar.
Boris Schmidt