Zum ersten Mal überhaupt hat das Agora-Theater sich mit einer öffentlichen Ausschreibung auf die Suche nach einer neuen künstlerischen Leitung gemacht - und das direkt mit großem Erfolg. Das belgische Künstler-Duo Dahlia Pessemiers-Benamar aus Flandern und der Wallone Valéry Warnotte setzte sich in einer internen Abstimmung souverän gegen die anderen Bewerber durch. Beide haben lange Erfahrung im Schauspiel - sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera. So war Pessemiers-Benamar bereits in verschiedenen Fernsehproduktionen zu sehen und Warnotte spielte bereits in über 30 verschiedenen Theaterstücken.
Jetzt wollen die beiden mit dem Agora-Theater neue künstlerische Möglichkeiten erkunden und haben sich dazu in Crombach niedergelassen. Die Menschen hier vor Ort kennenzulernen, sei enorm wichtig, um sich im Theater passend ausleben zu können, erklären die beiden. "Wir wollten mit den Leuten hier vor Ort Kontakt aufnehmen und verstehen, womit sie räsonieren und wie sie leben. Wenn wir in Antwerpen geblieben wären, hätten wir einfach nicht verstehen können, wie die Menschen hier ticken und was sie fühlen."
Verbindungen zum Agora-Theater haben schon seit geraumer Zeit bestanden, erklärt Valéry Warnotte. Vor rund 20 Jahren habe er Marcel Cremer auf einem Theaterfestival in Paris kennengelernt - seitdem haben sich ihre Wege immer wieder gekreuzt. Als Valéry Warnotte und Dahlia Pessemiers-Benamar dann von der Ausschreibung erfahren haben, war schnell klar, dass sie sich für die künstlerische Leitung von Agora bewerben wollten. Beim Theaterfest im Oktober letzten Jahres haben sie dann die Chance genutzt, die Menschen vor Ort kennenzulernen. Da festigte sich auch der Wunsch, sich in der Region niederzulassen und hier eine neue Form von Theater aufleben zu lassen.
Vor allem die Sprachenvielfalt in Ostbelgien begeistert das Duo. Nirgendwo sonst in Belgien könne man die drei Landessprachen so gut miteinander vermischen wie hier. Das sei eine große Inspiration für sie und soll auch in ihren ersten beiden Theaterprojekten durchscheinen. "Come as you are" und "Only Flowers" heißen die beiden Produktionen, die bald auf den ostbelgischen Bühnen präsentiert werden sollen.
Dabei nehmen sich die beiden einiges vor. So wurde "Come as you are" beispielsweise von drei verschiedenen Autoren geschrieben. Jeder von ihnen hat je 33 Texte in seiner Sprache - Deutsch, Französisch oder Flämisch - verfasst. Die kurzen Monologe sollen dann von rund 99 Schauspielern aller Couleur gespielt werden - und das nicht nur auf der Bühne, sondern mitten in der Öffentlichkeit. Das Stück soll dazu animieren, neugierig zu sein und seine eigene Region mit anderen Augen zu sehen. Außerdem soll es ein Schnappschuss des modernen Belgiens sein - mit all seinen Facetten und Problemchen. Komplex, aber auch humorvoll.
"Only Flowers" zeigt eine weitere Facette der Theaterlandschaft. Hier wollen die beiden mit Choreographen und Komponisten, aber auch mit Kindern aus der Region zusammenarbeiten und das Stück nach den Vorstellungen der Kinder formen. Denn auch die Theaterpädagogik und die Nachwuchsförderung ist ein Herzensthema für Dahlia Pessemiers-Benamar und Valéry Warnotte und soll in Zukunft auch bei Agora noch intensiver stattfinden.
Bis diese Produktionen jedoch in den Startlöchern stehen, dauert es noch ein wenig. Aber schon in Kürze gibt es für die Theaterlandschaft in der Region eine erste Kostprobe der neuen künstlerischen Leitung. Denn vom 15. bis zum 17. November lädt Agora zum Wochenendfestival "Schick.Chic.Chique" ein. Hier finden verschiedene Theaterworkshops für Groß und Klein, Konzerte und auch eine Kinderdisco statt.
Lindsay Ahn
Der neuen Leitung wünsche ich viel Erfolg und Zuspruch. Und damit verbinde ich die geringe Hoffnung, dass endlich mal kluge, anspruchsvolle Texte, gerne auch behutsam modernisierte Klassiker, den Weg auf die Bühne finden. Ich fürchte aber, es wird wieder solipsistisches Regietheater ohne schauspielerischen Anspruch, das ein ratloses Publikum (meine SchülerInnen) zurücklässt.
In Ostbelgien gibt es nicht nur Sprachenvielfalt sondern auch Zuschüsse der DG ohne die Agora wahrscheinlich nicht funktionieren würde. Brotlose Kunst vom Steuerzahler finanziert...