Dass das Motto der letzten Karnevalssession in Köln "Wat e Theater - wat e Jeckespill" hieß, kam nicht von ungefähr. Der Kölner Karneval verbeugte sich vor einer Institution. Die besteht aus hölzernen Handpuppen, die zweimal täglich vor jeweils 300 Zuschauern auftreten, die auf harten Holzbänken sitzen: Das "Hänneschen-Theater". Das Theater feiert in diesem Jahr 222 Jahre.
Die Hauptfiguren: Hänneschen, Schwester Bärbelchen und ihre Freunde. Tünnes und Schäl sind darunter - und der Speimanes. Der wird gespielt von Charly Kemmerling. "Wir sind ein Typentheater wie die Commedia dell'Arte und haben zwölf verschiedene, in ihrem Charakter fest umrissene Typen. "Speimanes" ist einer davon. Das ist ein kleinwüchsiger Erwachsener. Er hat mindestens drei Probleme. Er hat nämlich einen Buckel - wo man "Reuz" in Kölle für sät. Und er spuckt immer bei B und P. Also, wenn ich sage "Ach, da kütt et B-B-Bärbelche", dann ist das B wie auch das P gespuckt. Das ist also ein nicht geringes logopädisches Problem. Und er stottert halt."
Die Charaktere müssen ganz unterschiedlich bleiben - denn man wolle zeigen, dass die Gesellschaft viele unterschiedliche Typen habe, sagt Kemmerling. Seit 38 Jahren ist Charly Kemmerling "hinger d'r Britz", also hinter der Spielleiste. Die Bude sei eigentlich immer gut besetzt, sagt er.
"Es gibt viele in der Stadt, die sich damit identifizieren. Weil die Kölsche Sprache wie überall in der Welt auf die regionalen Sprachen zurückgeht. Es gibt natürlich auch die Frage: Was ist Kölsch? Auch das als lebende Sprache hat sich im Laufe der Zeit verändert. Was wäre Kölsch ohne all das Französische, was dareingeflossen ist? Wie "Trottoir", "Paraplü" oder "Plümeau". Ich finde, Köln hat vom Hänneschen insofern eine Bereicherung, als es ein Sammelbecken ist für verschiedene Dinge, die nicht mehr in der heutigen Zeit so "Up to date" sind, was die Sprache anbelangt. Die Themen, die wir spielen, sind allerdings immer in der heutigen Zeit angesiedelt."
So dient das Hänneschen-Theater auch als Referenzinstitution für die Kölsche Sprache. Als solche hat der damalige Bürgermeister Konrad Adenauer das Theater als städtischen Betrieb angelegt. Gegründet wurde es 1802 von Johann Christoph Winters. Inspiration holte sich Winters in Flandern. "In Köln hat das angefangen mit unserem Gründer. Der Mann war Handwerker und hatte im Winter als Anstreicher nicht viel zu tun. "Kunnt sing Familisch niet durchbränge". Da hat der das irgendwo in Flandern gesehen - so geht die Mär - und hat sich gedacht "Das probiere ich in Kölle auch"."
Also: ohne Belgien kein Hänneschen-Theater. Wer es einmal ausprobieren will, ist herzlich willkommen. "Der Speimanes, der liebt die Stadt Eupen schon allein deswegen, weil ein P drin ist. Also, ich freue mich, wenn aus Belgien "Bezok kütt un mir mache die Dür wick op", weil ich das Gefühl habe, dass wir auch sprachlich nicht weit auseinander liegen."
Gudrun Hunold