Insgesamt hat er vier Wochen gedauert, der Königin Elisabeth-Wettbewerb 2024 für Violine – einer der härtesten klassischen Musikwettbewerbe der Welt. 290 junge Talente aus aller Welt hatten sich mit einer Videoaufnahme für die Teilnahme beworben, 70 von ihnen wurden zugelassen und 63 traten schließlich Anfang Mai zur ersten Runde an.
Nach und nach wurden die besten herausgesiebt, und schon schnell wurde mehr als deutlich, dass die "Cuvée 2024" des Concours Reine Elisabeth eine ganz besondere sein würde. Das Niveau wurde schon im Halbfinale als "herausragend" und "stratosphärisch" bezeichnet und es zeichneten sich nicht wie sonst nur ein oder zwei Favoriten ab, sondern gleich fünf bis sechs.
Viele der zwölf Finalisten hätten am Ende der Sieger oder die Siegerin sein können, aber es konnte nur einen geben: Dmytro Udovychenko hat am Samstag nicht nur den renommiertesten Musikwettstreit der Welt gewonnen, er feierte an dem Tag auch seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag. Und mit dem Preisgeld von 25.000 Euro bekommt er ein stattliches Geburtstagsgeschenk.
Aber das ist noch nicht alles: Während vier Jahren darf er jetzt auf der unglaublich wertvollen Stradivarius mit der Bezeichnung "Higgins" aus dem Jahr 1708 spielen. Geschenkt bekommen hat er den ersten Platz beim Königin Elisabeth-Wettbewerb sicherlich nicht, dafür war das Niveau zu hoch und seine Leistung während aller drei Runden des Wettstreits zu gut: Im Finale spielte er neben dem Pflichtwerk des Franzosen Thierry Escaich, das alle Kandidaten aufführen mussten, das monumentale erste Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch.
Nicht jeder im Publikum war aber mit dieser Entscheidung einverstanden. In seinem Schostakowitsch-Konzert gab es trotz – oder gerade wegen – der leidenschaftlichen musikalischen Interpretation von Udovychenko schon die eine oder andere Ungenauigkeit im Zusammenspiel mit dem Orchester, dem übrigens während der gesamten Finalwoche brillant spielenden Belgian National Orchestra unter der Leitung von Anthony Hermus.
Viele Zuschauer hätten darum lieber den Zweitplatzierten ganz vorne gesehen, den Amerikaner Joshua Brown, der übrigens auch die beiden Publikumspreise von Klara und Musiq3 gewinnen konnte. Er spielte im Finale als Wahlwerk das monumentale Violinkonzert von Johannes Brahms in einer sehr musikalischen und fehlerfreien Interpretation. Ihm könnte man höchstens vorwerfen, dass er nicht genug Risiken eingegangen ist in diesem äußerst bekannten Werk, während Udovychenko vielleicht gerade zu viel gewagt hat – und damit bei der Jury punkten konnte.
Interessant ist, dass es beim Königin Elisabeth-Wettbewerb keine Juryberatung gibt. Jeder Juror gibt unabhängig seine Punkte ab, die werden zusammengezählt und der Kandidat mit den meisten Punkten gewinnt. So einfach ist das.
Dritte Preisträgerin wurde schließlich die Amerikanerin Elli Choi, die von vielen ebenfalls ganz oben auf dem Treppchen erwartet worden war. Die Deutschsprachige Gemeinschaft war am Samstag übrigens auch mit einbezogen in die Preisverteilung, denn traditionell wird der Geldpreis für den vierten Preisträger turnusgemäß von den Gemeinschaften unseres Landes gestiftet und diesmal war also die DG an der Reihe.
Der ukrainische Sieger Dmytro Udovychenko sorgte übrigens nicht nur musikalisch für ein gespaltenes Publikum. Beim traditionellen Händeschütteln mit den Jurymitgliedern verweigerte er dem russischen Juror Vadim Repin den Handschlag und brachte damit die aktuelle Politik ins Herz des traditionell unpolitischen Königin Elisabeth-Wettbewerbs. Das sorgte natürlich für Polemik und Diskussionen, vor allem, weil er einem anderen russischen Jurymitglied wohl die Hand schüttelte. Erst später wurde bekannt, dass Vadim Repins Ehefrau politisch dem russischen Präsidenten Putin nahesteht, und dass Udovychenko durch den verweigerten Handschlag dagegen protestieren wollte.
Ob das legitim oder angebracht war, das sei dahingestellt, doch sollte gerade die verbindende Kraft der Musik nicht durch politische Motive kompromittiert werden.
Am 14. Juni findet im Triangel in St. Vith ein vom OstbelgienFestival organisiertes Konzert mit den Lütticher Philharmonikern und den drei Erstplatzierten des Wettbewerbs statt – eine einmalige Gelegenheit für ostbelgische Klassikfreunde, Solisten auf einem solch hohen Niveau quasi bei uns zu Hause erleben zu können.
Patrick Lemmens