Schweigsam sind sie, die rund 20 Schülerinnen und Schüler in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Auch wenn sie hier auf ihren Stühlen sitzen, sind sie gedanklich ganz woanders. Denn über einen Bildschirm werden sie gerade live von einem Tourguide per Kamera durch die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau geführt.
Mit mehr als 1,1 Millionen Opfern war das KZ Auschwitz-Birkenau das größte Vernichtungslager im NS-Staat. Der Begriff Auschwitz steht für die Grausamkeiten, die vom NS-Regime verübt wurden, und ist zu einem Symbol für den Holocaust geworden. Damit gilt Auschwitz als eines der wichtigsten Mahnmale gegen die Bedrohung durch Antisemitismus und Unmenschlichkeit.
Seit kurzem bietet das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau eine virtuelle Führung an. Die Abiturienten aus Düsseldorf sind eine der ersten Schulklassen, die dieses Angebot nutzen.
Während der Guide ihnen das Gelände zeigt, werden auch historische Bilder, Malereien und Zeitzeugenberichte eingeblendet. Am Ende können die Schüler noch Fragen stellen. Das Multi-Media-Konzept ermöglicht ihnen, trotz der Entfernung einen detaillierten Einblick zu bekommen. Außerdem gelangen sie online auch in Räume, die sonst gesperrt sind.
"Man hat einfach auch das gespürt, wie das war. Also natürlich man war nicht vor Ort, aber einfach auch das Hineinversetzen in die Leute", sagt Liv, eine der Schülerinnen. "Wenn man überlegt: Okay, werd ich morgen noch leben oder wird irgendwas mit mir passieren, weil ich dann zu irgendeiner Untersuchung geschleppt werde. Und man ja auch nicht wusste, was als nächstes kommt, oder auch mit der Familie passiert."
"Also ich fand es sehr eindrücklich und auch gut so wie es war." Livs Reaktion zeigt, dass auch über den Bildschirm die Emotionen und Grausamkeiten des in Auschwitz verübten Massenmordes übermittelt werden können.
Tino hatte die Gedenkstätte schon früher einmal besucht. Auch er war aber positiv überrascht, wie die Führung online umgesetzt wurde. "Ich hatte das Glück, auch in Auschwitz vor Ort gewesen zu sein, weil meine Familie aus Polen stammt und wir da oft zu Besuch sind. Und das einmal quasi als Live-Video zu sehen war interessant."
"Ich finde, das wurde auch gut umgesetzt. Weil man dann nicht nur die Bilder quasi aus dem Geschichtsbuch sieht, sondern auch mithört und auch die Gefühle von dem Guide mitbekommt. Und deswegen bin ich froh, hier gewesen zu sein", meint Tino.
Bestimmte Gegenstände, wie die damals gesammelten Haare oder Schuhe der Opfer, haben die Schüler aber nicht gesehen. Das Online-Erlebnis sei doch etwas anders als ein richtiger Besuch, sagte auch der Guide den Schülern am Ende.
Tino sieht dies ähnlich, bestärkt aber das neue Online-Konzept. "Wenn man physisch vor Ort ist, ist das eine ganz andere Atmosphäre und da merkt man auch diesen Druck und diese drastische Änderung in der Atmosphäre. Aber ich würde dennoch sagen, dass ich ansonsten keine bessere Alternative zu den Geschichtsbüchern kenne. Dort sind es einfach nur so statische Bilder und hier ist es ein ganzes Live-Video mit Bildern und Zeitzeugen. Deswegen fand ich, dass das echt nah ran kommt."
Die virtuelle Führung durch Auschwitz dauert etwa zwei Stunden. Sie ist vor allem eine Alternative für Schulklassen, die sich die weite Anreise nicht leisten können. Ein Besuch, ob nun online oder vor Ort, erinnert an das, was geschehen ist, aber auch an die Verantwortung für das Hier und Jetzt.
Lara Wilken