Eines der Exponate, die unser Gehirn herausfordern, besteht aus fünf farbigen Buzzern. Dabei handelt es sich um diese großen Knöpfe, die man von Quiz-Sendungen im Fernsehen kennt und auf die man draufhauen kann. Vor den Buzzern ist eine Leinwand, und wenn das Spiel beginnt, erscheint auf der Leinwand immer der Name einer Farbe: Blau, gelb, rot, grün oder orange.
Jetzt muss der Spieler den dazu passenden farbigen Buzzer drücken. Doch Achtung: die Buchstaben auf der Leinwand sind in einer anderen Farbe gehalten als das Wort. Zum Beispiel erscheint das Wort "Blau" in roten Buchstaben. Frage: Wird der Spieler den richtigen Buzzer drücken? Konzentration ist gefragt, oder anders gesagt: das Gehirn. Dem visuellen Reiz der leuchtenden Farbe steht der intellektuelle Reiz des geschrieben Wortes und seiner Bedeutung gegenüber. Dann müssen noch die Hände richtig funktionieren - willkommen in der "Welt des Gehirns", im WOM.
In diesem neuen Museum auf dem Tour & Taxis-Gelände in Brüssel warten rund 120 solcher Selbsterfahrungen auf die Besucher. Herausgefordert werden die Sinne: oft das Auge, manchmal das Ohr, die Hände, das Gleichgewicht - manchmal auch alle Sinne zusammen. Ziel: die Besucher sollen destabilisiert werden. Sie sollen erfahren: Nichts ist absolut. Was ich sehe, kann mein Nachbar schon anders sehen. Und Recht haben beide. Oder auch: Ich weiß, dass Person A größer ist als Person B. Aber wenn Person A rechts auf der schiefen Ebene mit den Kacheln auf dem Boden steht, wirkt sie viel kleiner als Person B, die in der linken Ecke steht. Wie ist das möglich?
"Wir wollen, dass die Menschen sich selbst mehr hinterfragen und sich allgemein mehr Fragen stellen. Zu dem was sie hören, was sie sehen, was in der Gesellschaft passiert und so weiter. Wir wollen kritisches Denken wecken und fördern", sagt Henri Dupuis, einer der Väter des Museums von der Brüsseler Kulturagentur Tempora.
Das Gehirn mit seinen faszinierenden Fähigkeiten, aber auch Trägheiten und der jeweils individuellen Ausprägung bei jedem einzelnen Menschen schien Dupuis und seinen Mitstreitern ein idealer Ausgangspunkt, das Hinterfragen der Menschen zu stimulieren. Die Idee dazu sei während des Covid-Lockdowns entstanden im Gespräch mit seinen Kollegen, erzählt Dupuis gegenüber dem BRF. "Da haben wir uns gesagt: Wenn das alles mal wieder vorbei sein wird, würden wir gerne etwas auf die Beine stellen, das auf der einen Seite spielerisch ist - denn die Menschen sollen sich amüsieren. Gleichzeitig sollten sie aber auch etwas lernen."
Das Ergebnis präsentiert sich jetzt auf einer knapp 40 mal 40 Meter großen Fläche, die als Parcours zu begehen ist. In jedem neuen Raum warten neue Erfahrungsmöglichkeiten für die Sinne. Anfassen und ausprobieren ist ausdrücklich erwünscht. Schon kleinste Kinder könnten ihren Spaß hier haben, sagt Dupuis. Aber natürlich auch alle Erwachsenen. Staunen, sich überraschen lassen, bekannte Selbstversuche und Täuschungen wechseln sich ab mit Neuem, was immer auch erklärt wird. Nicht zuletzt durch kurze Filme, in denen der weltweit renommierte belgische Neurologe Steven Laureys, der aktuell an der Uni Lüttich lehrt, viel zum Gehirn und seiner Arbeitsweise berichtet.
Schöpfer Dupuis verrät auch, welches Experiment er besonders interessant findet: "Eine Erfahrung, die man selten machen kann, nämlich eine Erfahrung mit Gewichten. Bei einem der Experimente bitten wir die Besucher, verschiedene Gewichte in eine Reihenfolge zu bringen. Zum Beispiel ausgehend vom leichtesten hin zum schwersten. Es ist sehr verstörend, was dabei passiert, und das verläuft ganz und gar nicht so ab, wie man sich das vorstellt."
Beeindruckend ist auch die Erfahrung in einem komplett weißen Raum, das ein so genanntes Whiteout erfahrbar macht, ein Wetter-Phänomen aus Polargebieten und Hochgebirge. Ganz zum Schluss der Gang durch den "Tourbillon", einen farblichen Wirbel oder Strudel. Oder auch das Wechselspiel der Farben im Dschungel-Raum, durch den immer wieder ein andersartig gestalteter Wald vor dem Auge erscheint - obwohl alles immer sichtbar ist. Nur unser Gehirn nimmt es nicht wahr.
Die Grenzen unseres Gehirns macht das neue Museum bei Spiel und Spaß sichtbar - und regt dadurch tatsächlich auch zum Nachdenken an.
Praktische Infos
Museum WOM, Tour&Taxis, Shed 4bis, Avenue du Port 86c, 1000 Brüssel
Geöffnet täglich von Dienstag bis Sonntag
Tel.: 02 549 60 49
Internet: worldofmind.be
Standardticket: 17,50 Euro
Kay Wagner