Aus dem Publikum sind Kneipenbesucher geworden - und die sind unzufrieden mit der Europäischen Union. Nach einem Beschwerdebrief verlegt die EU aus Trotz einen Teil ihrer Macht in die Kneipe. Sie ist ab sofort die offizielle Vertretung des Europäischen Parlaments und soll über die Geschicke Europas bestimmen. Das heißt, sich mit komplexen Themen auseinandersetzen.
Die Zeit drängt. Sprecher müssen gewählt werden, die dann für oder gegen Initiativen argumentieren. Das Ganze geschieht unter der Aufsicht des Regisseurs und Darstellers Dominik Breuer vom Brachland-Ensemble, das seit 2011 Projekte zwischen zeitgenössischem Theater, journalistischer Recherche und politischer Bildung realisiert.
"Es gibt zwei Dinge, von denen wir uns erhoffen, dass die Leute das mitnehmen: Wir haben viel mehr Macht als wir denken und viel mehr Verantwortung", sagt Breuer. "Wenn die EU eine Kneipe wäre, dann sind wir nicht nur Gäste, die alle vier Jahre etwas bestellen und dann meckern, wenn wir etwas nicht bekommen, sondern wir sind dann Miteigentümer."
Und weiter: "Das bedeutet, wir haben die Möglichkeit, uns selbst einzubringen. Wenn nicht, dann sollten wir uns in der Kritik zurückhalten. Wenn wir kein Interesse daran haben, wie der Laden läuft, dann dürfen wir uns auch nicht beschweren, wenn wir nicht das bekommen, was wir bestellt haben." Eine Botschaft der Vorstellung lautet ganz klar: Demokratie ist nicht einfach, aber kostbar.
Im zweiten Teil des Stücks dürfen die Besucher auch entscheiden, ob sie überhaupt weiter selbst entscheiden wollen oder doch wieder den Politikern die Macht überlassen. Zwei Abstimmungsrunden vor Schluss glaubt das Kneipen-Parlament mit knapper Mehrheit nicht mehr an sich selbst und beendet damit die Vorstellung - eine Vorstellung, in der das Publikum gefordert wurde.
Dominik Breuer wünscht sich ein bessere Welt. Aber was würde er eigentlich als Politiker entscheiden? "Ich wäre für die Einführung von zwei Pflichtfächern in der Grundschule: Medienkompetenz und Diplomatie, damit junge Menschen lernen, wie man Zusammenhänge herstellt, wie man diskutiert und wie man Fakten recherchiert", so Breuer. "Das würde die Gesellschaft nachhaltig verändern."
Manuel Zimmermann