Es gibt eine ganze Menge Redewendungen, die etwas mit der Jagd und dem Wald zu tun haben. Einige sind es wert, erklärt zu werden: In die Binsen gehen (schief gehen). Man denkt wahrscheinlich an Wild, das sich in die Binsen flüchtet. Einer anderen Deutung zufolge bezieht sich diese Redewendung auf den Fischfang, bei dem man Netze aus Binsen flocht, in dem die Fische gefangen wurden.
Da ist etwas im Busch! (im Verborgenen bahnt sich etwas an). Dieses "etwas" war zuerst das Wild, das sich im Busch versteckt hatte.
Bei jemandem auf den Busch klopfen (versuchen, jemanden auszuhorchen), bezieht sich auf die Hetzjagd, bei der man auf das Gebüsch klopft, um das Wild aufzuscheuchen.
In jemandem ins Garn gehen (sich von jemandem überlisten lassen) steht "Garn" stellvertretend für das Netz.
Wenn Sie jemandem ins Gehege kommen, dann dringen Sie in sein Gebiet ein. Das Gehege ist das Jagdrevier oder ein eingezäumtes Stück Land, in dem Tiere gehalten werden.
Auch Knall und Fall (plötzlich) stammt aus der Jägersprache: Wenn man das Wild richtig getroffen hatte, musste es, sofort nachdem man den Knall des Schusses gehört hatte, tot umfallen.
Wenn Ihnen jemand durch die Lappen gegangen ist, dann ist er Ihnen entwischt. Um zu verhindern, dass das Wild ihr Jagdrevier verlassen konnte, spannten die Jäger früher bunte Lappen zwischen den Bäumen.
Wenn nun ein Tier seine Angst überwunden hatte und durch die Lappen gestürmt war, war es den Jägern durch die Lappen gegangen.
Wer jemandem auf den Leim geht, lässt sich von ihm überlisten. Man denkt an den Leim, den Vogelfänger auf ihre Ruten schmierten, um so Vögel zu fangen.
Wenn Sie jemandem auf die Schliche kommen, haben Sie sein heimliches Tun erkannt. Die Schliche sind die Schleichwege, die der Jäger benutzt, um sich an das Wild heranzuschleichen.
Auch jemandem auf die Sprünge kommen (sein heimliches Tun entdecken) und jemandem auf die Sprünge helfen (jemandem durch Hinweise helfen) kommen aus der Jägersprache. Bei der ersten Redewendung denkt man an einen guten Jagdhund, der die Zickzacksprünge des Hasen ahnt und versucht, ihm den Weg abzuschneiden. Beim zweiten hilft der Jagdhund dem Jäger, dem Wild auf die Sprünge zu kommen.
In jemanden zur Strecke bringen (jemanden besiegen, fangen, erledigen) und auf der Strecke bleiben (zurückbleiben, das Opfer sein, unterliegen) ist Strecke der Ort, an dem die Jagdbeute niedergelegt wird. Bei der zweiten Redewendung kann man auch an einen Läufer denken, der das Ziel nicht schafft und so auf der Strecke bleibt.
Auf den Strich gehen (sich prostituieren) wird man wohl kaum zuerst der Jägersprache zuordnen: Während der Paarungszeit fliegen die Sumpfschnepfen dem sogenannten Schnepfenstrich entlang. Der Zusammenhang mit der Straßenprostitution besteht darin, dass die Prostituierten früher auch "Schnepfen" genannt wurden, wahrscheinlich, weil sie auf einem Bein stehen, das andere Bein gegen die Mauer gelehnt.
Man denkt auch bei sich in etwas verbeißen nicht direkt an die Jägersprache, aber es kann tatsächlich passieren, dass ein Jagdhund sich so sehr in das erlegte Wild verbeißt, dass man ihn kaum dazu bringen kann, seine Beute loszulassen.
Die Redewendung den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen (sich durch Nebensächlichkeiten vom Wesentlichen abhalten lassen) erklärt sich von selbst.
Da wir gerade im Wald sind, nehmen wir auch noch das Holz hinzu: Viel Holz vor der Tür haben (einen üppigen Busen haben) bezog sich ursprünglich auf die Holzstapel, die sich links und rechts vor der Tür des Bauernhofes befanden.
(Dreimal) auf Holz klopfen sagt man, wenn man das Schicksal abwenden will. Wenn man das tun wollte, klopfte man im Mittelalter dreimal auf Holz im Gedenken an das Kreuz Christi.
Holzauge, sei wachsam! (pass auf!) versteht man erst, wenn man weiß, dass es früher in den Stadtmauern sogenannte "Holzaugen" gab, mit Holz umkleidete Löcher, durch die die wachhabenden Soldaten den sich nähernden Feind erspähen konnten.
In auf dem Holzweg sein (sich irren) ist der Holzweg der Waldweg, der eigens für den Holztransport angelegt worden ist und nirgendwo anders hinführt.
Schmunzelnde Streifzüge durch die Muttersprache - Lügen haben kurze Beine
Siegfried Theissen