Man kommt ganz schön aus der Puste, wenn man über die steilen Wege hoch zum Basler Münster geht. Im höchsten Teil der Altstadt gelegen, vierzig Meter oberhalb des Rheins, steht die markante, aus rotem Sandstein erbaute Kirche. Mit ihren gotisch verspielten Türmen und dem bunt gedeckten Dach ist sie das optische Wahrzeichen und die meistbesuchte Touristenattraktion der Stadt.
"Wir stehen jetzt hier auf dem Münsterplatz, direkt vor der Westfassade des Basler Münsters.", erklärt Dorothea Schwinn-Schürmann. Sie ist Kunsthistorikerin und begeisterte Münster-Expertin. "Das ist einer der großen, schönen Plätze Europas. Längs rechteckig, sehr groß und umstellt mit Domherrenhäusern, die aus dem Mittelalter stammen und dann in der Barockzeit verändert wurden."
"Weiter hinten, an der einen Seite, sieht man den so genannten kleinen Münsterplatz, der ist mit Kastanienbäumen umstellt. Und wenn man jetzt den kleinen Münsterplatz gen Osten schreitet, dann kommt man auf diese Aussichtsterrasse, am Chor des Basler Münsters. Von dieser Chorterrasse hat man einen wunderschönen Blick über den Rhein, über Kleinbasel - den kleineren Stadtteil von Basel - und jenseits des Rheins über den Schwarzwald."
Erdbeben im Jahr 1356
Geht man an der Seitenfassade des Münsters vorbei zu diesem wirklich lohnenswerten Aussichtspunkt, sollte man sich die Gallus-Pforte etwas näher anschauen. Dieser Zugang zum Querschiff der Kirche stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1185. Reich verziert mit wunderbar filigranen Steinfiguren gilt er als eines der ältesten noch erhaltenen Figurenportale im deutschsprachigen Raum. Darüber ein großes rundes Fenster. Von seinem Mittelpunkt gehen 16 kleinere Glassegmente ab.
Glücksrad wird das Fenster wegen seiner besonderen Form genannt. "Unterhalb dieses Glücksrads haben wir in der Fassade einen Riss, der wirklich noch ganz deutlich sichtbar ist. Das ist ein Riss, der während des Erdbebens 1356 entstand und dann in der Folge mit solchen Eisenklammern gesichert wurde", erklärt Dorothea Schwinn-Schürmann.
Damals wurden große Teile der Stadt verwüstet und auch das Münster stark beschädigt. Mit viel Geld und großem technischen Aufwand errichtete man auf den Ruinen ein neues Münster, das schon im Jahr 1500 vollendet werden konnte. Wuchtig eingerahmt von den beiden Haupttürmen, benannt nach den Heiligen Georg und Martin, deren Stein-Statuen in luftiger Höhe zu sehen sind, befindet sich das stattliche Hauptportal.
Gotik-Begeisterung
Wir nutzen ein kleineres und sehr bescheiden wirkendes Seitenportal und betreten das Kirchengebäude, dessen Innenraum ungewöhnlich hell erscheint. Das war im Mittelalter noch anders. "Mit der Reformation hat man alle Glasfenster ausgebaut und eine Blankverglasung eingefügt, wie wir sie hier, wenn wir im Mittelschiff nach oben schauen, noch sehen. Und erst im 19. Jahrhundert, im Zuge der Mittelalter-Begeisterung, der Gotik-Begeisterung in ganz Europa, hat man wieder angefangen, farbige Glasbilder einzusetzen. Und seitdem sind eben auch hier im Münster, im Chorbereich, wieder farbige Fenster eingesetzt worden."
Doch auch zur künstlichen Beleuchtung des Münsters weiß Dorothea Schwinn-Schürmann eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen. "Wir konnten aufgrund von Fotos aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eruieren, dass man damals, 1877, Gasbeleuchtung eingeführt hat. Unterhalb der Emporen-Zone, im Bereich dieses umlaufenden Würfelfrieses, hat man ein Metallrohr verlegt, durch den ganzen Innenraum, hat 800 Löcher rein gebohrt und hat da Gaslicht erzeugt."
Diese explosionsgefährliche Bau-Sünde war das Resultat einer blinden Begeisterung für die neuen Errungenschaften des Industrie-Zeitalters. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis man schließlich erkannte, dass diese Gasleitung nicht nur eine optische Vergewaltigung des Kirchenraums war, sondern durch die enorme Hitzeentwicklung auch die Bausubstanz des Münsters in Mitleidenschaft zog. Mit elektrischem Strom als neue Energiequelle suchte man schließlich nach einer anderen, besseren Lösung. Und hat dann den Auftrag gegeben, große Radleuchter anzufertigen.
Stahl für den Dachstuhl
Nicht filigran, sondern sehr robust ist ein weiteres architektonisches Highlight. Dafür geht es durch eine kleine Holztür und über einen engen, staubigen Treppenaufgang Richtung Dachboden. Unter uns ragen mal rund, mal spitz, die Oberteile der grauen Deckengewölbe empor. Wie eine Hügellandschaft sieht das aus.
Doch der eigentliche Hingucker ist eine riesige komplexe Stahlkonstruktion, die seit Ende des 19. Jahrhunderts den original Holz-Dachstuhl aus dem Mittelalter ersetzt. "Die Akten besagen, dass man damals unter dem Eindruck des Dachstuhlbrandes des Frankfurter Doms von 1867 stand und des Folgebrandes in der Kathedrale von Metz."
Also setzten die Architekten lieber auf die damals neue Stahlträgertechnik, wie sie auch beim Kölner Dom und beim Ulmer Münster angewendet wurde. Ein verheerender Brand wie bei der Pariser Kathedrale Notre Dame ist daher in Basel nicht zu befürchten.
Über das Programm der Internationalen Orgelkonzerte kann man sich im Internet informieren.
Auch über das Jubiläumsprogramm anlässlich 1.000 Jahre Basler Münster erfährt man online mehr.
Rechtzeitig zum Jubiläum erscheint das Buch: "Das Basler Münster", an dem auch die Kunsthistorikerin Dorothea Schwinn-Schürmann als Mitautorin beteiligt ist. Herausgeber ist die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) in der Reihe "Kunstdenkmäler der Schweiz".
Alfried Schmitz