Was der Brüsseler Oper „La Monnaie“ vor ein paar Wochen mit Donizettis „Don Pasquale“ glückte, findet nun in Lüttich mit Gioachino Rossinis "Le Comte Ory" seine Fortsetzung. Beide Opernhäuser bieten vermeintlich leichte Kost auf musikalisch höchstem Niveau. Es darf gelacht und geschmunzelt werden, ohne jemals in Plattitüden zu verfallen. So ist komische Oper tatsächlich komisch.
"Le Comte Ory" ist ein sehr erstaunliches Werk. Es ist Rossinis einzige Opéra comique in französischer Sprache. Er hat ja kurz danach mit 37 Jahren beschlossen keine Oper mehr zu komponieren. Wie er es mit dem Librettisten Eugène Scribe schafft, eine Vaudeville Komödie zu schreiben, die auf den ersten Blick nach billigem Boulevard klingen könnte, das ist ein wahres Kunststück, dem die Regiearbeit von Denis Podalydès in jeder Szene gerecht wird.
Die Handlung spielt an und für sich zur Zeit der Kreuzzüge, Podalydès verlegt das Ganze in die 1820er Jahre, also in die Zeit der Entstehung dieses Werkes. Bei den Kostümen ist er mit dem Modemacher Christian Lacroix auf der sicheren Seite, das wirkt alles edel aber nie überladen.
Worum geht es bei dieser Geschichte? Während ihre Männer in den Krieg gezogen sind, haben die Frauen geschworen, keinem Mann Einlass zu gewähren. Aber es gibt da einen ganz hartnäckigen Schwerenöter, nämlich den Grafen Ory. Zunächst behaupten der Graf Ory und seine Weggefährten Eremiten zu sein.
Ory versucht auf diesem Weg die hübsche Comtesse Adèle zu verführen. Das gelingt nicht, vor allem auch, weil der Page des Grafen, Isolier ebenfalls in die Comtesse verliebt ist.
Aber der Comte Ory gibt sich nicht so schnell geschlagen. Im zweiten Akt werden er und seine Ritter sich als Pilgerinnen verkleiden, um zu den Frauen zu gelangen. Das glückt und wird auch die Voraussetzung für die vielleicht schönste Szene der ganzen Oper sein: einem Trio, in dem der Comte Ory als Frau auftritt, sein Page Isolier, der eine Hosenrolle ist, also von einem Mezzosopran gesungen wird und dazu natürlich Adèle als hoher Sopran.
Das wird in Lüttich so fein gespielt und gesungen, dass man nie auf die Idee käme hier an Charleys Tante oder andere Verkleidungsklamotten zu denken. Übrigens am Ende gibt sich der Graf Ory aufgrund der angekündigten Rückkehr der Ehemänner geschlagen.
Musikalisch zählt „Le Comte Ory“ zum anspruchsvollsten überhaupt. Es bedarf einer so großartigen Sopranistin wie Jodie Devos, um die Rolle der Adèle zu singen. Gleich nach der Premiere meinte sie, diese Partie sei die schwierigste, die sie bisher habe singen dürfen.
Aber der jungen belgischen Sängerin scheint keine Schwierigkeit unüberbrückbar, jeder Ton, jede noch so wahnwitzige Koloratur saß.
Man könnte fast meinen, Rossini habe mit dieser Partitur die Sopranistin und den Tenor besonders ärgern wollen, denn auch die Rolle des Ory ist unglaublich anspruchsvoll. Antonino Siragusa meisterte die besonders in der Höhe unglaublich herausfordernde Partie nach einigen leichten Anlaufschwierigkeiten mit einer atemberaubenden Souveränität.
Besondere Erwähnung verdient aber auch José Maria Lo Monaco in der Hosenrolle des Isolier. In jedem Moment nimmt man ihr das Liebeswerben um Adèle ab.
Getragen wird die Produktion von einem wieder einmal glänzend aufgelegten Orchester und dem sehr sicheren Chor unter der Gesamtleitung von Jordi Bernàcer.
Bis zum 2. Januar wird „Le Comte Ory“ in der Oper Lüttich gezeigt - natürlich auch am Silvesterabend als heiter genüsslicher Einstieg ins neue Jahr.
Hans Reul