Die meisten Redewendungen mit Wasser sind so deutlich, dass man sie gar nicht erklären muss: Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, muss man versuchen, sich über Wasser zu halten. Auch ein Schlag ins Wasser, Wasser auf seine Mühle, mir läuft das Wasser im Munde zusammen, die kochen auch nur mit Wasser, bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter, in jemandes Kielwasser segeln (dazu muss man nicht unbedingt Seemann sein!), Hochwasser haben, wie ein Fisch im Wasser (allerdings war das vor der Plastikplage!) und Wasser in den Wein gießen versteht jeder sofort und sie bedürfen keinerlei Erklärung.
Ein Sturm im Wasserglas ist zwar auch deutlich, scheint mir jedoch ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn bei Alice im Wunderland! Das Kind mit dem Bade ausschütten ist auch ziemlich unwahrscheinlich, denn welche Rabenmutter würde das denn tun?
Einige Redewendungen sind nicht so leicht zu durchschauen: Interessant ist zum Beispiel die Herkunft von jemandem nicht das Wasser reichen können (jemandem unterlegen sein). Früher, als man noch mit den Fingern aß, musste man sich ab und zu am Tisch die Hände waschen. Ein Diener niedersten Ranges reichte dann den Gästen eine Schale mit Wasser. Wer selbst dazu nicht fähig war, war bestimmt nicht mit allen Wassern gewaschen, auch wenn er aussah, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Wer mit allen Wassern gewaschen ist, ist erfahren, aber auch raffiniert oder sogar gerissen. Man denkt hier an Seeleute, die alle Meere der Welt befahren haben und sich also mit allen Wassern gewaschen haben.
Wer aussieht, als ob er kein Wässerchen trüben könnte, sieht unschuldig und harmlos aus, aber meistens sieht er nur so aus! Diese Redewendung geht auf eine Fabel des griechischen Dichters Äsopus zurück (7. Jahrhundert vor Christus): Ein Wolf, der nach einem Vorwand sucht, ein Lamm zu fressen, wirft diesem vor, es habe sein Wasser getrübt, indem es oberhalb von ihm aus dem Bach getrunken habe. Auch die Beteuerung, es habe unterhalb dieser Stelle getrunken und könne also nicht das Wasser des Wolfs getrübt haben, nutzt dem Lamm nichts, es wird gefressen. Bei La Fontaine findet man diese Fabel in leicht abgewandelter Form.
Die Redewendung jemandem das Wasser abgraben (jemandes Existenz gefährden) versteht man zwar intuitiv, was jedoch nicht heißt, dass man auch die Herkunft kennt: Das Wasser, das hier gemeint ist, ist das Wasser des Baches, welches das Mühlenrad antreibt. Leitete man diesen Bach um, war die Existenz des Müllers bedroht. Aus dem gleichen Bereich stammt Oberwasser kriegen (wieder im Vorteil sein): Das Oberwasser ist das Wasser oberhalb eines Mühlenrads, das dieses antreibt. Übrigens, jemandem das Wasser abgraben, dem das Wasser bis zum Halse steht, hilft das?
Blut und Wasser schwitzen ist zwar auch deutlich, aber wer weiß schon, dass diese Redewendung eine Anspielung auf die Todesangst Jesu ist, und zwar im Garten von Getsemani am Abend vor der Kreuzigung? Blut ist dicker als Wasser (die Familie geht immer vor) kennen viele belgische Politiker, deren Söhne und Töchter auch Karriere in der Politik machen, nur allzu gut: Blut steht hier für Blutsverwandte, mit denen man natürlich dicker ist als mit anderen. Wenn der Politiker jedoch Fehler macht, muss er die Sache ausbaden, sonst kann es sein, dass er die Felle schwimmen sieht.
Eine Sache ausbaden müssen (die Folgen von etwas tragen müssen) stammt aus dem Mittelalter. Damals nahmen nacheinander verschiedene Personen ein Bad im gleichen Wasser. Der letzte musste dann das schmutzige Badewasser ausschütten, er musste es ausbaden. Die Felle schwimmen sehen (sehen, dass seine Hoffnungen enttäuscht werden) bezog sich anfänglich auf Gerber, die manchmal ihre Felle im Bach dahinschwimmen sahen.
Wie immer, ein Paradoxon: Wenn jemand, nachdem er baden gegangen ist, auf dem Trockenen sitzt und sich dann kaum über Wasser halten kann. Übrigens, auf dem Trockenen sitzen ist der größte Wunsch nach einer Überschwemmung.
Es gibt auch Sprichwörter mit Wasser, die man allerdings auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen muss: Man sagt ja: Stille Wasser gründen tief, aber es gibt auch Leute, die nicht viel sagen, weil sie gar nichts zu sagen haben. Säufer haben ihr eigenes Sprichwort: Fisch will schwimmen!
Ein anderes Sprichwort, das sich auf Wasser bezieht, ist steter Tropfen höhlt den Stein. Das mag zwar stimmen, aber haben wir soviel Zeit? Sie, jedenfalls, haben einen Monat Zeit, darüber nachzudenken.
Siegfried Theissen