Wenn Robert Germay Regie für ein Stück in deutscher Sprache führt, dann versetzt er die Zuschauer indirekt in die Zeit der 1960er Jahre. Damals gründete er das Theater der Lütticher Germanisten an der Uni Lüttich.
"Ich denke, dass wir das Theater in deutscher Sprache in Belgien institutionalisiert haben. Auch in den Ostkantonen. Und vielleicht habe ich dazu beigetragen, dass modernes und zeitgenössisches deutschsprachiges Theater sich in Belgien durchsetzt. Nicht zu vergessen Marcel Cremer und andere, die mit mir gearbeitet haben."
Robert Germay - mittlerweile stolze 77 - hat Generationen von Studenten für Theater und Literatur begeistert - und tut es auch heute noch. Als Weggesellen für "Frau Storm" hat sich Germay dieses Mal einen alten Freund ausgesucht: Eckart Pastor, der als großer Theodor-Storm-Kenner gilt.
Demokratische Ideen
Die Faszination für Storm hat Pastor dazu geführt, selber zur Feder zu greifen und das Stück "Frau Storm. Ein Kammerspiel" zu verfassen. Pastor selbst tritt in dem Stück als Theodor Storm auf.
"Diese Widersprüche in diesem Mann, der fortschrittliche Ideen äußert. Eine Biografie zu Theodor Storm trägt den Titel 'ein demokratischer Humanist' - das muss man sich mal vorstellen, am Ende des 19. Jahrhunderts, mitten im Wilhelminismus war da ein Mann mit demokratischen Ideen."
"Aber in seinem Haushalt ging es zu wie in einem Haushalt im 19. Jahrhundert. Und wie in manchem Haushalt auch im 20. und 21. Jahrhundert. Denn die Frauenemanzipation ist manchmal, da und dort, ein schöner Traum."
Rebellin und Ehefrau
Deshalb geht es auch in dem Stück vorrangig um Constanze Storm, die erste Frau an Theodor Storms Seite. Interpretiert von Anita Wangen, die schon als Studentin unter Germays Regie gespielt hat. "Sie ist sowohl eine Rebellin - sie lässt sich nicht alles bieten - als auch eine getreue Ehefrau, die ihren Mann wirklich sehr geliebt hat. Diese beiden Seiten haben mich wirklich interessiert, sie zu interpretieren."
Für Robert Germay spielt das Theater auch in einer mediatisierten Welt wie heute immer noch eine wichtige Rolle. "In der Essenz ist Theater dazu geschaffen worden, zu den Menschen zu sprechen. Im Theater kommen Menschen zusammen, um über die Gesellschaft zu sprechen."
"Mediatisierte Welt hin oder her - diese Eigenschaft bleibt Bestehen. Es bleibt ein Ort der Reflexion, der Interpellation. Ein Medium des Schaffens." Und schaffen will Robert Germay noch viel. Denn für ihn heißt es immer: Vorhang auf!
"Frau Storm - ein Kammerspiel" wird am Donnerstag um 18:30, am Samstag um 20:30 und am Sonntag um 15:00 Uhr in den Räumen des Universitätstheaters am Quai Roosevelt in Lüttich aufgeführt.
js/km
Nie werde ich die interessanten, kontroversen Debatten zwischen R. Germany und E Pastor im Deutschseminar der ULG über Büchners "Woyzeck" oder Brechts "HL Johanna" vergessen. Beide damals junge und streitbare Assistenten haben Generationen von Germanisten solides Rüstzeug mit auf den Weg gegeben. Und Robert hat in der Tat das deutschsprachige Theater in Belgien institutionalisiert und beeinflusst. Das ist nicht nur bei Agora ganz lebendig und täglich sichtbar,, Spuren davon findet man auch bei regionalen Bühnenereignissen und in den vielen Dorftheatergruppen wieder. Respekt und Dank für beider Leistung !
Eine echte Perle, dieses Kammerspiel. Einen solch schwierigen literarischen Stoff so abwechlungsreich, ja geradezu leichtfüßig zu gestalten, dazu bedarf es der Symbiose zweier hochkarätiger Literaten: der feinsinnige Storm-Kenner E. Pastor hat es als Autor und Darsteller meisterhaft verstanden, die zwiespältige Figur Storm mit leichter Ironie zu "entlarven" und Altmeister Robert Germay (nicht Germany, ein Fehlerteufel im vorigen Post) hat wieder einmal bewiesen, dass er Spielführung, theatralische Mittel und bisweilen witzige "Blitzlichter" wie eh und je treffsicher und gekonnt einsetzt. Und Anita Wangen verkörperte die beiden Facetten der Frau Storm völlig überzeugend. Der Besuch hat sich gelohnt.