Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann ist am Montag von allen Ämtern zurückgetreten. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei SPÖ zog damit die Konsequenzen aus dem mangelnden Rückhalt in seiner Partei und deren schlechtem Abschneiden in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl vor zwei Wochen. "Dieses Land braucht einen Kanzler, wo die Partei voll hinter ihm steht. Die Regierung braucht einen Neustart mit Kraft. Wer diesen Rückhalt nicht hat, kann diese Aufgabe nicht leisten", sagte Faymann zur Begründung.
Faymanns Regierungskoalition steht seit langem massiv unter Druck, die Umfragewerte für seine SPÖ und die mitregierende konservative Volkspartei ÖVP sind seit Monaten im Sinkflug. Zuletzt wiesen Erhebungen die rechtspopulistische FPÖ deutlich als stärkste Partei aus.
Im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl am 24. April hatten rund 35 Prozent der Wähler für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer gestimmt - vor allem als Reaktion auf die Flüchtlingskrise. In die Stichwahl am 22. Mai geht Hofer als Favorit, die Kandidaten von SPÖ und ÖVP schieden mit 11,3 beziehungsweise 11,2 Prozent schon im ersten Durchgang aus.
Zwar hatten auch die Sozialdemokraten auf eine restriktivere Flüchtlingspolitik umgeschwenkt, dieser Kurs ist innerhalb der Partei allerdings höchst umstritten. Faymann sagte, Österreich habe nach der schwierigen Phase der Finanzkrise im vergangenen Jahr den massiven Flüchtlingsandrang zu bewältigen gehabt und diesen gut gemeistert. Der 56-Jährige verteidigte erneut das Ende der "Willkommens-Kultur" und den Kurswechsel des Landes. "Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Maßnahmen zu setzen."
Nach dem überraschenden Rückzug des SPÖ-Chefs übernimmt wohl Wiens Bürgermeister Michael Häupl interimistisch die Parteiführung. Ein entsprechender Beschluss sollte am Montagnachmittag im Parteivorstand fallen, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete.
Neben den Folgen der Flüchtlingskrise fürchten viele Österreicher auch einen wirtschaftlichen Niedergang. Die Koalition aus Sozialdemokraten und der konservativen ÖVP hat Abhilfe versprochen. "Das ist ein Warnsignal an die Regierung. Krempelt endlich die Ärmel auf. Und tut etwas gegen die Arbeitslosigkeit und die steigende Zahl von Menschen, die nicht von ihrer Arbeit leben können", hatte Faymann nach der ersten Runde der Präsidentenwahl dem "Kurier" gesagt.
Sich selbst sah der seit 2008 regierende Kanzler offenkundig nicht mehr als den Mann, der diese Ziele umsetzen kann. Dennoch wagte er am Montag einen optimistischen Blick in die Zukunft: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Land stark genug ist, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen."
Faymann hatte sich nach abgebrochenem Jurastudium als junger Sozialdemokrat über die Instanzen an die Parteispitze gedient und 2008 den SPÖ-Vorsitz übernommen. Er gilt nicht als Visionär, sondern verfolgt eher einen pragmatischen Politikansatz. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll einmal über den stets zurückhaltend auftretenden Wiener gelästert haben, er komme bei EU-Verhandlungen in Brüssel ohne Meinung herein und gehe mit ihrer wieder hinaus.
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