Rote Karte für Rechtspopulisten: Die Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung gegen die automatische Ausweisung krimineller Ausländer ausgesprochen. Schon vor Auszählung aller Stimmen scheiterte der Vorstoß der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) daran, dass eine Mehrheit der 26 Kantone gegen die Initiative war.
Dieses sogenannte Ständemehr war für einen Erfolg dieser Volksabstimmung zwingend. Auch bei den bis zum Nachmittag ausgezählten Stimmen war der Sieg für die Gegner der SVP ganz klar. Sie führten laut Schweizer Fernsehen mit 56,7 zu 43,3 Prozent.
Die SVP wollte in Fragen der Ausweisung von Ausländern, die eine Straftat begangen haben, die bisher übliche Einzelfall-Prüfung durch einen Richter abschaffen. Obendrein umfasste der Ausweisungs-Katalog mehr als 50 auch minder schwere Delikte. Die Initiative sollte ohne weitere Beratung durch das Parlament Gesetz werden.
Mit der Ablehnung wird nun im Kern eine Volksabstimmung von 2010 umgesetzt. Auch dieses sieht die Ausweisung krimineller Ausländer vor, aber bei weniger Delikten und nur nach Prüfung durch einen Richter auf einen etwaigen Härtefall.
Das Ergebnis wurde von den Gegnern der Durchsetzungsinitiative als ermutigendes Signal der Zivilgesellschaft gedeutet. "Wir haben genug von der Angstmacherei der SVP", sagte Flavia Kleiner von der Plattform "Nein zur Durchsetzungsinitiative". Dem von der Plattform angeführten Bündnis war es mit einer breiten Kampagne gelungen, einen Stimmungsumschwung unter den Eidgenossen zu erreichen.
Im November 2015 waren noch 66 Prozent der Eidgenossen für die sogenannte Durchsetzungsinitiative. Als einer der entscheidenden Punkte galt das wachsende Bewusstsein, dass eine automatische Ausweisung an den Grundpfeilern eines Rechtsstaates rütteln würde. Die Beseitigung von Minderheiten- und Individualrechten sei "nicht mit bisher geltenden Konzept der Schweizerischen Demokratie vereinbar", hatte Bundesrichter Thomas Stadelmann betont.
Für die SVP bedeutet das Ergebnis eine schwere Niederlage. Sie war noch bei der Parlamentswahl im Herbst 2015 als Sieger hervorgegangen. Volksabstimmungen zu Ausländerfragen haben in der Schweiz eine lange Tradition. Das Land ist zwar von der aktuellen Flüchtlingskrise fast nicht betroffen, aber hat mit 25 Prozent einen extrem hohen Ausländeranteil.
Erst vor zwei Jahren hatten sich die Schweizer gegen die Masseneinwanderung und damit gegen den freien Zuzug von EU-Bürgern ausgesprochen. Da dieser Volkswille gegen europäische Bestimmungen zur freien Wahl des Wohnsitzes verstößt, sucht die Regierung in Bern nach einem politisch gangbaren Weg zur Umsetzung.
dpa/mh - Bild: Fabrice Coffrini (afp)