Bewaffnete Konflikte haben 2014 so viele Menschen zu Vertriebenen innerhalb ihres eigenen Landes gemacht wie wahrscheinlich nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Zahl der sogenannten Binnenflüchtlinge stieg nach Angaben internationaler Organisationen vom Mittwoch um elf Millionen - das sind im Schnitt 30.000 an jedem einzelnen Tag - und erreichte einen neuen traurigen Rekord von 38 Millionen Menschen. Am schlimmsten ist die Notlage in Syrien. Aber auch in der Ukraine wurden Hunderttausende durch Kämpfe aus ihren Wohngegenden vertrieben, die nun in Notunterkünften auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
Angesichts des massenhaften Elends zog der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC), der den jährlichen Weltbericht über Binnenflüchtlinge seit 2004 federführend zusammenstellt, eine bedrückende Bilanz: "Diplomaten, UN-Resolutionen, Friedensverhandlungen und Waffenruhen haben den Kampf gegen skrupellose bewaffnete Männer verloren, die getrieben sind von politischen oder religiösen Interessen statt von humanitären Geboten", sagte NRC-Generalsekretär Jan Egeland.
Längst schon sind weit mehr Menschen Vertriebene in den Grenzen ihrer eigenen Staaten als jene, die in andere Ländern geflohen sind, wo ihre Betreuung durch internationale Hilfsorganisationen meist besser möglich ist. Die Zahl der Binnenflüchtlinge entspricht laut NRC derzeit der Bevölkerung von New York, London und Peking zusammengenommen.
Dabei wurden auch 2014 die meisten Menschen in fünf Staaten mit lange andauernden Konflikten in die Flucht getrieben: 60 Prozent der neuen Binnenflüchtlinge kamen im Irak, im Südsudan, in Syrien, in der Demokratischen Republik Kongo sowie in Nigeria hinzu. Weiterhin ist Syrien, wo der Bürgerkrieg immer erbitterter geführt wird und brutale islamistische Terrororganisationen ihr Unwesen treiben, das Land mit der höchsten Zahl von Binnenflüchtlingen. 7,6 Millionen Menschen wurden innerhalb der syrischen Grenzen vertrieben - das sind rund 40 Prozent gesamten Bevölkerung.
In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, sind Hunderttausende vor dem Wüten der Terrortruppe Boko Haram aus ihren Dörfern und Städten geflohen. Zum ersten Mal seit den Jugoslawien-Kriegen Ende der 1990er Jahre sind auch in Europa durch den bewaffneten Konflikt in der Ukraine wieder Hunderttausende vertrieben worden. Laut NRC stieg die Zahl der Binnenflüchtlinge in der Ukraine bis Ende 2014 auf 646.500 an.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wies bei der Vorlage des Berichts darauf hin, dass immer mehr Binnenflüchtlinge versuchen, ins Ausland zu gelangen, je geringer die Aussicht auf eine friedliche Lösung von Konflikten in ihrer Heimat wird. "Wie wir es gerade im Mittelmeer erleben, treibt die Verzweiflung Menschen dann sogar dazu, alles zu versuchen und sogar das eigene Leben bei gefährlichen Bootsfahrten zu riskieren", sagte der stellvertretende UN-Flüchtlingskommissar Volker Türk.
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