"Ehrlich gesagt, ich hab nicht wirklich geglaubt, dass ich jetzt hier vor Ihnen sitzen würde": Maria Malmer Stenergard, die schwedische Innenministerin, konnte am Donnerstagabend ihren Erfolg selbst kaum fassen. Denn zu lange schon waren die EU-Staaten hoffnungslos zerstritten, wenn es um eine Reform der EU-Asylpolitik ging.
Die schwedische Ratspräsidentschaft hatte hier nochmal besonders Druck gemacht. Und plötzlich haben sich die Dinge dann offensichtlich gefügt. "Das ist ein historischer Schritt", sagt die schwedische Innenministerin. "Nach jahrelangen Verhandlungen sind wir heute einer nachhaltigen und stabilen Asylgesetzgebung bedeutend nähergekommen."
Und zu verdanken sei das wohl in erster Linie einer gemeinsamen Einsicht, sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser. "Wir haben es geschafft, und in der EU gemeinsam dazu zu bekennen, dass wir am besten gemeinsam handeln und nicht Nationalstaatlichkeit vorgeben."
Zwei zentrale Punkte: Bleibeperspektive ...
Die Reform, auf die sich die Fachminister der 27 EU-Staaten verständigen konnten, ruht im Wesentlichen auf zwei Pfeilern. Vereinbart wurde zunächst ein deutlich härterer Umgang mit Neuankömmlingen. "Das ist fast schon eine Revolution", sagte die belgische Asylstaatssekretärin Nicole de Moor.
Demnach beginnt die Asylprozedur künftig schon an der EU-Außengrenze. Migranten würden schon vor Ort "gescreent", um insbesondere ihre Bleibeperspektive zu ermitteln. "Menschen, die keine Aussichten auf ein Aufenthaltsrecht in Europa haben, werden das künftig schon an der Grenze erfahren", sagt Nicole de Moor. "Konkret wird untersucht, ob die Menschen schutzbedürftig sind oder eben nicht. Und wenn dem nicht so ist, dann müssen wir schneller als bisher entsprechende Konsequenzen ziehen können"
In der Praxis wird das wohl so aussehen, dass die Neuankömmlinge an der Außengrenze für die Dauer dieser Prüfung in geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Wer keine Chancen auf Asyl hat, der soll umgehend zurückgeschickt werden.
Für die Länder, die eben an den Außengrenzen liegen, ist das natürlich eine Herausforderung. Es geht hier ja in erster Linie um Italien und Griechenland. "Nun, dass diese beiden Länder den Plänen zugestimmt haben, das sagt doch, was es sagt", betont die Asylstaatssekretärin. "Konkret: Die Länder werden bei diesen Aufgaben von den anderen unterstützt. Finanziell und auch über die Bereitstellung von spezialisiertem Personal".
... und Solidarität
Der zweite Pfeiler, auf dem diese Reform aufgebaut ist, das ist die innereuropäische Solidarität. Gerade hier lag in den letzten Jahren einiges im Argen. Die einen nahmen Schutzbedürftige bei sich auf, andere hingegen weigerten sich kategorisch und zogen manchmal buchstäblich Zäune um ihr Land.
"Das wird künftig nicht mehr gehen", freut sich Nicole de Moor. Die Solidarität wird künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Und Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, die werden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die Rede ist von 20.000 Euro pro Flüchtling. "Für Belgien ist das eine gute Neuigkeit", sagt de Moor. "Denn wir haben bislang immer mehr geleistet, als wir mussten. Künftig wird jeder seinen Beitrag leisten müssen."
Man muss wohl kaum erwähnen, dass die bekannten Blockierer, also Polen und Ungarn, diese Pläne aus genau diesen Gründen auch abgelehnt haben. Es ist denn auch ein mehrheitlicher, kein einstimmiger Beschluss ...
In jedem Fall wurde da aber lediglich eine erste Hürde genommen. Das EU-Parlament muss nämlich den Plänen jetzt noch zustimmen. "Das werden nun auch nochmal knifflige Verhandlungen", sagt Nicole de Moor. Belgien werde sich da aber sehr engagiert einbringen. "Ziel ist es, die Reform noch in dieser Legislaturperiode, also bis Mitte nächsten Jahres, zu verabschieden."
Roger Pint