Ein Gespenst geht um in diesen Tagen: das Gespenst einer neuen Banken- und Finanzkrise. Auslöser ist die Pleite der amerikanischen Silicon Valley Bank. Im Fahrwasser dieses Crashs ging auch gleich noch ein zweites Geldhaus über den Jordan, die ebenfalls amerikanische Signature Bank. Weil sofort ein zweiter Dominostein umkippte, wurden fast schon reflexartig böse Erinnerungen wach. Denn 2008 hatte es genauso angefangen: Erst fiel die Bank Lehman Brothers um, dann folgte aber eine regelrechte Kaskade. Am Ende stand das ganze Finanzsystem vor dem Abgrund.
Wiederholt sich jetzt die Geschichte? Das ist die Frage, die an den Finanzmärkten weltweit gerade für eine doch gefährliche Unruhe sorgt. "Gefährlich" in dem Sinne, dass es hier vor allem um Vertrauen geht, beziehungsweise den Mangel an eben diesem Vertrauen.
Am Montag haben die US-Behörden schon versucht, den Brand einzudämmen. Am Ende war es Präsident Joe Biden höchstpersönlich, der versicherte, dass alle Einlagen erstattet würden, dass kein Sparer auch nur einen Penny verlieren würde. "Alle Kunden, die Geld auf Konten dieser Banken hatten, können beruhigt sein: Sie sind geschützt und haben jederzeit Zugriff auf ihr Geld."
Panikreaktionen verhindern
Damit wollte man Panikreaktionen verhindern. Zum Beispiel war denkbar, dass Kunden der kollabierten Banken aus Angst vor dem Verlust ihrer Einlagen ihre Konten bei anderen Banken plündern könnten. Genau diese Ängste sollten zerstreut werden. Mit anderen Worten: Man will dafür sorgen, dass das Problem auf die beiden Banken beschränkt bleibt.
Was allerdings durchaus auch schon reicht. Die Silicon Valley Bank war doch schon ein größerer Spieler. Die Aktiva beliefen sich auf über 200 Milliarden Dollar, was aus dem Crash die größte Bankenpleite seit 2008 macht. Wieder ein Verweis auf genau die Krise, an die man doch eigentlich nicht denken möchte.
Doch, wo man schon dabei ist, stellt man sich auch gleich schon wieder die nächste Frage mit Bezug auf 2008: Könnte es nicht sein, dass die Silicon Valley Bank letztlich auch nur die Spitze eines Eisbergs ist, wie damals Lehman Brothers. Grob gerafft: Die Silicon Valley Bank hatte ein sehr riskantes Geschäftsmodell, dem am Ende vor allem die wiederholten Leitzinserhöhungen das Wasser abgegraben haben. Viele Zeitungen stellen sich am Dienstag die Frage: War die Bank die einzige mit diesen Praktiken, die sehr anfällig war für steigende Zinsen? Oder war das erst der Anfang?
Noch eine Eigenheit im Geschäftsmodell der Silicon Valley Bank könnte so eine oft gehörte Befürchtung, ein Zeichen an der Wand sein. Die Bank arbeitete - wie es der Name schon vermuten lässt - fast ausschließlich mit Tech-Betrieben zusammen: Innovative, junge Unternehmen mit zündenden Ideen, die sich mal als revolutionär und gewinnbringend, mal aber auch als teurer Flop erweisen können. Die Frage, die sich viele Zeitungen stellen, ist: Sehen wir hier nicht den Beginn eines Ausleseprozesses in der Tech-Branche, bei dem nicht rentable Internet-Betriebe jetzt da landen, wo klassische Unternehmen in derselben Situation längst wären, nämlich in der Insolvenz? Wäre das so, dann würden wohl auch andere Banken Probleme bekommen, die sich besonders auf diese Unternehmen konzentriert haben.
Man sieht es schon: Wenn man will, dann kann man in der Pleite der Silicon Valley Bank durchaus zumindest Elemente sehen, die darauf hindeuten können, dass der Crash womöglich doch kein Einzelfall, sondern nur ein Symptom eines viel größeren Problems ist. Das erklärt wohl auch, warum insbesondere Banken-Anteile an den Börsen weltweit gerade mächtig unter Druck stehen.
Europa demonstrativ gelassen
In Europa gibt man sich nichtsdestotrotz demonstrativ gelassen. "Wir sehen im Moment kein spezifisches Ansteckungsrisiko", sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. "Aber natürlich beobachten wir die Lage genau - und das zusammen mit der Europäischen Zentralbank."
Entwarnung auch vom föderalen Finanzminister Vincent Van Peteghem. "Natürlich halten wir die Situation sehr genau im Auge", sagte Van Peteghem am Rande eines Treffens der Eurogruppe. "Im Moment sehen wir aber keine Hinweise auf Risiken für belgische Banken."
In Europa verweist man zudem darauf, dass für Banken in der EU strenge Auflagen gelten, insbesondere Kapital- und Liquiditätsvorgaben, die nach der Finanzkrise noch angeschärft worden waren. Auch das trage zum Vertrauen in den Finanzsektor bei, sagte Van Peteghem.
Roger Pint