"Jetzt ist er da, der Dritte Weltkrieg". "Die Nato muss den Bündnisfall ausrufen!". Dienstagabend und in der Nacht waren die Sozialen Netzwerke für einen Moment lang regelrecht heiß gelaufen.
Tatsächlich waren die Raketen, die in einem polnischen Dorf zwei Menschen getötet haben, auch im Rest der Welt wie eine Bombe eingeschlagen. Nervosität und Anspannung waren spürbar.
Umso bemerkenswerter, dass allen voran die polnische Regierung demonstrativ Besonnenheit an den Tag legte. Keine markigen Worte, kein Säbelrasseln, sondern erst einmal gar nichts. Und dann eine sehr nüchterne und rein faktenorientierte Kommunikation. Man gab nur gesicherte Informationen heraus. Zum Beispiel, dass es sich um eine Rakete aus russischer Produktion handelt, was natürlich etwas anderes ist als eine russische Rakete.
Und diese Strategie sollte sich - im Nachhinein - als die richtige erweisen. "Nach ersten Untersuchungen gibt es keine Hinweise darauf, dass es sich um einen vorsätzlichen Angriff gehandelt hat", sagte gegen Mittwochmittag Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel nach einer Krisensitzung. "Und es gibt auch keinerlei Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland eine Militäraktion gegen die Nato vorbereitet."
Flugabwehrrakete
Zwar seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. "Doch gehen vorläufige Analysen in die Richtung, dass die Explosion in Polen wahrscheinlich durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht wurde", sagt der Nato-Generalsekretär.
Diese Flugabwehrrakete sei von der ukrainischen Armee abgefeuert worden, um einen russischen Angriff mit Marschflugkörpern abzuwehren. Entsprechend treffe die Ukraine denn auch keine Schuld an der Tragödie auf der polnischen Seite der Grenze. Russland trage am Ende die alleinige Verantwortung und zwar so lange, wie der Kreml seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine fortsetze. Das wolle er noch einmal ganz klar betonen, sagt Stoltenberg.
Anders gesagt: Russland hat nun einmal einen Krieg entfesselt, gegen den sich die Ukraine lediglich verteidigt. Und das sorgt für eine gefährliche Situation - ein Beweis dafür sei der Vorfall in Polen.
Krieg beenden
Doch wie soll man jetzt darauf reagieren? Denn in Polen haben schließlich zwei Unschuldige ihr Leben verloren. Die Nato habe schon ihre Präsenz an ihrer Ostflanke verstärkt, sagte Stoltenberg. Und mehr denn je versuche man, die Luftabwehrkapazitäten der Ukraine zu stärken. Geliefert würden also zusätzliche Flugabwehrwaffen und auch Systeme zur Bekämpfung von Drohnenangriffen.
Er wolle aber auch noch einmal hervorheben, wie besonnen und mäßigend die Nato-Staaten reagiert hätten, betont der Generalsekretär. Trotz besagter Nervosität und Anspannung gleich nach Bekanntwerden des Zwischenfalls. "Wir bereiten uns auf solche Krisenmomente aktiv vor", sagt Jens Stoltenberg. "Erstmal natürlich, indem wir versuchen, sie zu verhindern. Aber wenn sich doch ein Vorfall ereignet, dann sind wir bemüht, zugleich schnell und entschlossen, aber auch besonnen und mäßigend zu reagieren, um eine unnötige Eskalation zu vermeiden."
Und während die Nato-Staaten tatsächlich sichtbar zurückhaltend und abwartend reagierten, lieferte der Kreml quasi den Gegenentwurf. Dort sprach man gleich schon wieder von einer "gezielten Provokation". Der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew erklärte sogar, der Westen erhöhe die Wahrscheinlichkeit für den Beginn des Dritten Weltkriegs.
Man könnte all das im Keim ersticken, erwidert sinngemäß Jens Stoltenberg: "Um Vorfälle wie den in Polen zu verhindern, muss Russland einfach nur diesen Krieg beenden."
Roger Pint
Über 3 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine haben in Polen neue Heimat gefunden. Das Land dort hat für die Gäste aus dem Osten Unterkünfte und Arbeit organisiert und den Kindern den Schulbesuch ermöglicht. Jetzt muss sich Polen auf einen möglichen weiteren Beschuss aus dem Osten vorbereiten wenn dieser Krieg andauert und unschuldige Zivilisten in Polen sterben...