"Aus meiner Sicht ist dieser Gipfel schon jetzt ein Erfolg", verkündet Premierminister Alexander De Croo und ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Besagten Erfolg hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Abend höchstpersönlich bekanntgegeben: "Der Weg für einen NATO-Beitritt von Finnland und Schweden ist frei", sagte Stoltenberg. Die Türkei hatte die Aufnahme beider Länder bislang blockiert, insbesondere wegen deren angeblich zu lockerer Haltung gegenüber der kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Die drei Länder unterzeichneten jetzt eine Absichtserklärung, die auf die Vorbehalte Ankaras eingeht, wie auch Stoltenberg präzisierte. "Dass Schweden und Finnland jetzt der NATO beitreten können, das wird uns stärker machen", sagte Premierminister De Croo. "Und es ist wohl die Einheit, die wir in den letzten Monaten an den Tag gelegt haben, die die Allianz so attraktiv macht."
Grünes Licht für Finnland und Schweden
Das sehen ausnahmslos alle Mitgliedsstaaten so, z.B. auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Der britische Premierminister Boris Johnson gab sich gewohnt sarkastisch. Der russische Präsident Wladimir Putin habe wohl gehofft, weniger NATO an seinen Westgrenzen zu haben. Nun, jetzt bekommt er das Gegenteil, jetzt kriegt er mehr NATO.
Das Grüne Licht für den Beitritt von Finnland und Schweden, das ist aber nur der Auftakt für einen Gipfel, der - wie es Johnson ja auch schon sagte - "in vielen Belangen historisch" werden dürfte.
Insbesondere will sich die NATO strategisch neu ausrichten. Das derzeitige Konzept stammt aus dem Jahr 2010. Damals habe es noch die feste Absicht gegeben, Russland als Partner zu betrachten, betonte Generalsekretär Stoltenberg. Das habe sich inzwischen freilich geändert, spätestens seit dem Angriff auf die Ukraine. "Jetzt wird festgehalten, dass Russland eine direkte Gefahr für unsere Sicherheit darstellt", sagte Stoltenberg.
Im Übrigen wird sich das Augenmerk jetzt auch auf China richten. Im bisherigen strategischen Konzept wird das Reich der Mitte noch mit keinem Wort erwähnt. "Wir werden China zwar nicht als Feind betrachten, wohl aber als eine Herausforderung für die Werte, Interessen und Sicherheit der Nato", sagte Stoltenberg.
Einigkeit demonstrieren
Neben dem neuen strategischen Konzept geht es aber vor allem um das Hier und Jetzt. Eben angesichts der neuen Bedrohung durch Russland soll die schnelle Eingreiftruppe von derzeit 40.000 auf dann über 300.000 Soldaten aufgestockt werden.
Das bedeutet auch, dass die USA ihre Militärpräsenz in Europa wieder erhöhen werden. US-Präsident Joe Biden legte am späten Mittwochvormittag noch einmal ein klares Bekenntnis zu Artikel 5 der Nato-Charta ab, also zur Beistandsklausel, die er "sakrosankt" nannte: "Ein Angriff auf ein Mitglied ist ein Angriff auf alle, und wir werden keinen Zentimeter preisgeben."
Ganz unmittelbar wird es in Madrid natürlich auch um weitere Hilfen für die Ukraine gehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll am Mittwoch übrigens zugeschaltet werden. "Wir müssen der Ukraine alle erdenkliche Unterstützung zukommen lassen, um es ihr zu erlauben, auf dem Schlachtfeld zu gewinnen", sagte Premierminister De Croo.
Aber in aller ersten Linie geht es der Allianz darum, Einigkeit zu demonstrieren, was Generalsekretär Stoltenberg quasi bei jeder Gelegenheit wiederholte.
Roger Pint