Über 3.000 Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger, sonstiges Gesundheitspersonal und Angehörige anderer, gerade in der Corona-Krise essentieller Berufe sollen während der Pandemie bislang gestorben sein. Und das sind nur die offiziellen Zahlen aus 79 Ländern, die Dunkelziffer dürfte vermutlich noch sehr viel höher liegen. Und, so fordert Amnesty International, die jeweiligen Regierungen sollen dafür zur Verantwortung gezogen werden, beispielsweise, wenn sie nicht ausreichend für den Schutz dieser Personen gesorgt haben.
Zu den Spitzenreitern, was diese Todesfälle betrifft, gehören nach einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation die Vereinigten Staaten, Russland, Großbritannien und Brasilien. Aber auch in Ländern wie Mexiko, Italien, Ägypten, dem Iran, Ecuador und Spanien sind sehr viele Opfer zu beklagen.
Neben Ansteckungen und Todesfällen beim Personal beklagt Amnesty aber auch, wie teilweise mit Menschen umgegangen wird, die Missstände beim Corona-Krisenmanagement anprangern. So sollen zahlreiche Arbeitskräfte entlassen worden sein, die sich negativ äußerten. Auch Disziplinarmaßnahmen und sogar Verhaftungen habe es gegeben. Mancherorts seien auch Menschen wegen ihrer Arbeit mit Corona-Patienten stigmatisiert worden, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, oder seien sogar Opfer von Gewalt geworden. Auch die schlechte und manchmal nicht-existente Bezahlung von Gesundheitspersonal wird bemängelt.
Mangel an Schutzausrüstung
Der weitaus häufigste Kritikpunkt ist aber laut dem Bericht der Mangel an Schutzausrüstung und damit unsichere beziehungsweise gefährliche Arbeitsbedingungen. In fast allen untersuchten Ländern sei das in unterschiedlichem Maße der Fall gewesen. In weniger als einem Viertel von 63 Ländern gaben die entsprechenden Gewerkschaften an, dass angemessenes Schutzmaterial für ihre Mitglieder zur Verfügung gestanden habe. Manche mussten deshalb selbst Material kaufen oder sich aus Alltagsmaterialien Notbehelfe basteln. In 31 Ländern habe es deswegen sogar Streiks oder zumindest Streikdrohungen gegeben. Die zuweilen von den Behörden brutal unterdrückt worden seien.
So schlimm war die Lage in Belgien natürlich nicht. Aber auch hier habe es Defizite gegeben, wie der Direktor von Amnesty International Flandern, Wies De Graeve, in der VRT sagte. Mit dem Mangel an Schutzmaterial sei man auch in Belgien, besonders im Kranken- und Pflegesektor konfrontiert gewesen, so De Graeve.
Laut Angaben des Instituts für Volksgesundheit, Sciensano, mussten hierzulande seit Mitte März ungefähr 600 Pflegekräfte wegen Covid-19 zur Behandlung ins Krankenhaus.
Lehren ziehen
Amnesty habe sehr beunruhigende Meldungen bekommen, zum Beispiel aus den Alten- und Pflegeheimen. Und zwar sowohl von Bewohnern, als auch vom dortigen Personal selbst, wie De Graeve betonte. Deswegen glaube man, dass auch die hiesigen Behörden Fehler gemacht hätten. Es sei sehr wichtig, dass Belgien die Vorgehensweise während der Epidemie evaluiere und kläre, wer wofür verantwortlich gewesen sei.
Und diesbezüglich sei es gut, dass die verschiedenen Parlamente entsprechende Untersuchungskommissionen eingesetzt hätten und so genau beleuchtet werde, was schiefgelaufen sei. So könne man dann Lehren ziehen und für die Zukunft Fehler vermeiden, so De Graeve.
Öffentliche Untersuchungen
Und hier fordere Amnesty eine gründliche Arbeit der Ausschüsse - mit unabhängigen Expertisen. Und besonders müsse man dem Gesundheitspersonal selbst zuhören, forderte De Graeve. Schließlich wüssten diese Menschen am besten, wo eventuell Fehler begangen worden seien beim Corona-Krisenmanagement im Land.
Diese Forderung stellt Amnesty im Übrigen auch an alle anderen Staaten. Öffentliche unabhängige Untersuchungen über den Vorbereitungsstand und die während der Pandemie ergriffenen Maßnahmen könnten dabei helfen, bei kommenden großen Gesundheitskrisen sowohl Menschenrechte, als auch Leben besser zu schützen.
Boris Schmidt