Das Verbrechen schläft nie. Das sagt schon das Sprichwort. Und genauso wenig macht es eine Pause während der Coronavirus-Epidemie - im Gegensatz zur normalen Wirtschaft. Das sagt eine, die es wissen muss: Catherine De Bolle, Direktorin von Europol.
Aber die Kriminellen haben sich und ihre Aktivitäten an die Corona-Lage angepasst, wie die frühere Generalkommisarin der Föderalen Polizei in der VRT erklärte - und zwar unmittelbar. Die Verbrecher profitierten von der aktuellen Situation. Sie nutzten die Angst der Menschen aus und den Mangel an medizinischem Material.
Cyberkriminalität
Dabei gebe es drei Hauptfelder: Cyber- oder Internetkriminalität, Produktfälschungen und Eigentumsdelikte. Zu Beginn der Pandemie seien die Phishing-Mails, also E-Mails, die darauf abzielen, den Menschen persönliche Daten zu entlocken, noch eher kruder Natur gewesen. Und sie wären eher an einzelne Bürger verschickt worden, die auf der Suche nach Schutzmaterial für den Eigenbedarf waren. Das habe sich aber inzwischen geändert.
Das Ziel seien jetzt oft Krankenhäuser oder große Firmen, die medizinische oder pharmazeutische Mittel herstellten. Auch seien die Informatik-Angriffe komplexer geworden.
Aber auch der Kindesmissbrauch im Internet falle in den Bereich Cyberkriminalität, in dem es eine dramatische Zunahme gegeben habe. Zwei bis sechs Mal so häufig wie vor der Krise seien diese Vergehen, vor allem in zwei Bereichen: einerseits Kinderschänder, die mehr Zeit hätten, um im Netz nach Material zu suchen, und zum anderen die Verbrecher, die versuchten, mit unbeaufsichtigten Kindern über das Internet in Kontakt zu kommen.
Produktfälschung
Die zweite große Domäne, in der die Kriminellen jetzt besonders aktiv sind, ist die Produktfälschung. Man habe festgestellt, dass die Produktfälscher der Pandemie folgten. Heißt: Diese Produkte seien zuerst in Italien aufgetaucht, danach in Spanien und schließlich auch in Frankreich und Belgien.
Europol habe aber auch festgestellt, dass selbst Nahrungsmittel sehr schlechter Qualität über das Internet angeboten würden. Die Kriminellen nutzten dem Umstand, dass viel mehr Menschen als sonst ihre Einkäufe online erledigten.
Aber die Skrupellosigkeit beim Geschäft mit der Angst der Menschen geht noch weiter. Es werden nämlich sogar angebliche Impfstoffe gegen das Coronavirus verkauft. Klare Ansage von der Europol-Direktorin hier: Es gibt keine Impfstoffe. Nur falsche Versprechen. Und da kann man fast von Glück reden, wenn die Gauner einfach mit dem Geld verschwinden und nichts geliefert wird. Es kann nämlich noch schlimmer kommen: gesundheitsschädliche Produkte etwa.
Die meisten Produktfälschungen stammten im Übrigen aus Indien und China, schlicht, weil dort die entsprechenden großen Infrastrukturen sowohl für legale, wie illegale Produkte vorhanden sind.
Die beste Strategie für Verbraucher, um nicht auf Produktfälschungen hereinzufallen, sei, bei bekannten Marken beziehungsweise bei den Läden einzukaufen, wo man dies auch sonst tut. Und etwas gesunder Menschenverstand schadet sicher auch nicht. Verdächtig niedrige Preise, gerade auch bei Mangelprodukten, da müssen die Alarmglocken im Kopf läuten.
Eigentumsdelikte
In manchen Bereichen hat die Kriminalität übrigens auch abgenommen. Zum Beispiel gab es bis vor einigen Wochen weniger Wohnungseinbrüche. Was natürlich einerseits daran liegt, dass die Menschen mehr zu Hause sind. Aber auch, weil es weniger Verkehr gibt und herumreisende Diebesbanden damit viel stärker als sonst auffallen. Außerdem könnten sich die Kriminellen nicht so leicht über die Grenzen ins Ausland absetzen.
Aber Catherine De Bolle warnte: Neben dem sogenannten Enkeltrick versuchten sich Diebe zum Beispiel Zugang zu Häusern zu verschaffen, indem sie behaupteten, es desinfizieren zu müssen.
Boris Schmidt