Deutschland und Tschechien wollen keinen neuen Streit über die Vertreibungen der Nachkriegszeit. Beide Länder müssten in ihren Beziehungen nach vorne blicken, bekräftigten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der neue tschechische Ministerpräsident Petr Necas am Donnerstag im Kanzleramt.
Auch der vor Jahresende geplante Besuch von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Prag soll nach dem Willen von Merkel und Necas zu keinem neuen Streit führen. Necas steht seit wenigen Wochen an der Spitze einer Mitte-Rechts-Regierung in Prag und kam zu einem Antrittsbesuch bei Merkel und Bundespräsident Christian Wulff nach Berlin.
Bisher war eine offizielle Reise bayerischer Ministerpräsidenten nach Tschechien immer wieder am Streit über die Benes-Dekrete gescheitert. Sie hatten die Voraussetzung für die 1945 von den Alliierten im Potsdamer Abkommen gebilligte Ausweisung der deutschen Minderheit aus der damaligen Tschechoslowakei geschaffen.
Merkel sagte zur Seehofers Reiseplänen: «Aus meiner Sicht würde es mich freuen, wenn es in absehbarer Zeit zu einem solchen Besuch kommen könnte.» Necas betonte: «Wir sind darauf vorbereitet, ein offenes Gespräch zu führen.» Maßstab sei die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997.
Beide Länder hatten sich darin verpflichtet, ihre Zusammenarbeit nicht durch frühere politische und rechtliche Streitfälle zu belasten. «Es ist ja bekannt, dass wir der Meinung sind, dass Vertreibung Unrecht ist», sagte Merkel. Sie bezeichnete die Erklärung von 1997 als «Meilenstein» in den Beziehungen zu dem Nachbarland.
In einem Gespräch mit Journalisten hatte Necas zuvor klar gemacht, dass er die Benes-Dekrete nicht grundsätzlich infrage stellen wird. Zu der Seehofer-Reise nach Prag fügte er hinzu: «Sollte es dabei nur um die Benes-Dekrete gehen, dann würde ich keinen Sinn in einem solchen Besuch sehen.» Necas verlangte eine «sehr vorsichtige Vorbereitung» dieses Besuchs.
Necas war aus Sparsamkeitsgründen mit dem Auto nach Berlin gereist. Bei Merkel fand er volle Anerkennung der strikten Sparpolitik seiner Regierung. «Der Weg zu mehr Schulden ist nicht der richtige Weg», sagte Necas. Die Einführung des Euro steht für Prag auf absehbare Zeit nicht zur Debatte.
Keinen Streitpunkt erwartet Merkel mit der neuen Prager Regierung auch in der Absicht, das Gebäude der deutschen Botschaft in Prag wegen seiner besonderen Bedeutung bei der deutschen Einheit zu erwerben. «Ich sehe darin keine besonders heikle Angelegenheit zwischen unseren beiden Ländern», sagte Merkel.
Für Aufsehen in den deutsch-tschechischen Beziehungen sorgte in den vergangenen Tagen die Entdeckung eines Sammelgrabs im Kreis Jihlava (Iglau) in Mähren. Nach Einschätzung der Behörden handelt es sich um die Leichen von ermordeten Sudetendeutschen.
Frank Rafalski und Stefan Voß (dpa) - Bild: epa
'Sammelgrab'?? Wie politically correct.