Knapp 60 Prozent der Stimmen für Martin Fayulu. Nur knapp 20 Prozent für Tshisekedi. So lauten die Zahlen, die von der "Financial Times" veröffentlicht worden sind. Die Zahlen sollen durch ungenannte Personen aus dem Kongo heraus an die britische Zeitung übermittelt worden sein. Quelle der Zahlen: Die mehr als 60.000 Wahlmaschinen, mit denen im Kongo gewählt wurde.
Doch nicht nur diese Zahlen widersprechen dem offiziellen Ergebnis. Auch die katholische Bischofskonferenz, die laut eigenen Angaben rund 40.000 Wahlbeobachter im Land verteilt hatte, sieht Fayulu deutlich vorne. Hier erreicht Fayulu sogar mehr als 60 Prozent und Tshisekedi kommt sogar nur auf den dritten Platz, knapp geschlagen noch von dem Kandidaten der Präsidentschaftspartei, Emmanuel Shadary.
Zahlen, die an dem proklamierten Sieger allerdings abprallen. In der RTBF sagte der Sprecher von Tshisekedi in Belgien, Louis D’or Ngalamulume: "Félix Tshisekedi bleibt der gewählte Präsident der Demokratischen Republik Kongo. Wir werden uns nicht mit angeblichen Zahlen aus organisierten Lecks aufhalten, um Zweifel zu nähren."
Das Lager von Thsisekedi sieht hinter den Zahlen eine Verschwörung. Sein Sprecher sagte: "Wir wissen genau, dass es bestimmte Individuen gibt, die Furcht stiften wollen, die das Land destabilisieren wollen, die dabei sind, diese krankhaften, verschwörerischen Spielchen auszuhecken."
Opposition wittert Absprache
Doch nicht nur die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl bieten Anlass für Zweifel. Denn die Ergebnisse der gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen geben ein ganz anderes Bild der Kräfteverhältnisse wieder, als es der Ausgang der Präsidentschaftswahl nahelegt.
Denn mit ungefähr 70 Prozent der Stimmen erreicht die Präsidentschaftspartei des bisherigen Machthabers Joseph Kabila im Parlament ganz deutlich die absolute Mehrheit. Die Partei von Tshisekedi wird im Parlament nur wenige Abgeordnete stellen.
Das Lager des unterlegenen Oppositionskandidaten wittert aufgrund dieser Ergebnisse eine Absprache zwischen Tshisekedi und dem Präsidentschaftslager. Sie lautet: Tshisekedi wird Präsident und zeigt damit nach außen, dass der langjährige Präsident Kabila durchaus von der Macht ablassen kann. Gleichzeitig behält Kabilas Clan aber die Zügel der Macht in der Hand über die absolute Mehrheit im Parlament.
Fayulus Sprecher in Belgien, Olivier Kamitatu, sagt dazu: "Im Angesicht dieser ganzen Manipulation, des riesigen Betrugs, der da organisiert wurde, wünschen wir uns, dass die Ergebnisse aus jedem einzelnen Wahlbüro veröffentlicht werden."
Auch die Bischofskonferenz fordert die Offenlegung der Wahlergebnisse. Die Nachbarländer des Kongo erhöhen ebenfalls den Druck. Der Präsident der Staatengemeinschaft der Großen Seen und gleichzeitig Staatspräsident der Republik Kongo, Saaou Nguesso, fordert ebenso eine Neuauszählung der Stimmen wie der Präsident der Gemeinschaft der südafrikanischen Staaten, der Präsident von Sambia, Edgar Lungu.
Südafrika als wirtschaftlich stärkstes Land dieser südafrikanischen Staatengemeinschaft hat mittlerweile allerdings schon den Wahlsieg von Tshisekedi anerkannt. Beobachter glauben, dass wirtschaftliche Interessen zwischen Südafrika und dem Clan um Kabila ausschlaggebend dafür sind.
Eine Lösung des Konflikts könnte vom kongolesischen Verfassungsgericht kommen. Es muss jetzt über den Einspruch von Fayulu gegen die Gültigkeit der Wahlen entscheiden.Bis dahin bleibt den beiden Lagern nur übrig, auf ihren jeweiligen unterschiedlichen Positionen zu verharren.
Kay Wagner