Der Jubel seiner Anhänger kannte keine Grenzen: Félix Tshisekedi, neuer Präsident der Demokratischen Republik Kongo. Zwar ist das Ergebnis noch vorläufig, doch darüber wollte sich die jubelnde Menge zunächst keine Gedanken machen. Mit einem Sieg ihres Favoriten hatte sie kaum gerechnet.
Im Vorfeld waren viele davon ausgegangen, dass Martin Fayulu, der von einem Bündnis mehrerer Oppositionsparteien getragen wird, das Rennen machen werde. Oder aber Emmanuel Shadary, der die Gunst des Noch-Präsidenten Joseph Kabilas besitzt, durch mögliche Manipulation des Wahlergebnisses zum Sieger ernannt werde könnte. Dass Tshisekedi die Nase vor haben könnte, daran hatten wohl nur seine Anhänger geglaubt. Sieben Millionen Stimmen soll Tshisekedi bekommen haben, 6,4 Millionen Fayulu, 4,4 Shadary. So lautet das Ergebnis der offiziellen Wahlkommission.
Doch das wurde am Donnerstag bereits heftig kritisiert. Die machtvollste Kritik kam dabei wohl von der katholischen Kirche. Die Bischofskonferenz im Kongo ist sehr einflussreich, hatte vor und während der Wahlen eine wichtige Rolle gespielt, unter anderem auf eigene Faust 40.000 Wahlbeobachter im ganzen Land die Stimmabgabe beobachten lassen.
Diese Beobachter hatten ein Stimmungsbild nach Kinshasa gemeldet. Die Bischofskonferenz besitzt also eigene Informationen zu den Wahlen. Und die stimmen offensichtlich nicht mit dem jetzt verkündeten Ergebnis überein. Denn der Sprecher der Bischofskonferenz, Abbé Donatien Nshole, sagte am Donnerstag: "Wir stellen fest, dass die Ergebnisse, die von der Wahlkommission veröffentlicht worden sind, nicht mit den Informationen übereinstimmen, die wir gesammelt haben."
Bewusst nennt die Bischofskonferenz nicht den Namen desjenigen, den sie als Sieger sieht. Damit will sie unnötige Unruhe vermeiden. Mit der Stellungnahme aber trotzdem klarstellen: Hier ist etwas nicht ganz sauber.
Deutlichere Worte fand dagegen der unterlegene Oppositionskandidat Martin Fayulu. Der unterlegene Favorit sagte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz: "Die Ergebnisse haben nichts mit der Wahrheit der Wahlurnen zu tun." Und Fayulu fügte hinzu: "Es handelt sich hier offensichtlich um einen nicht zu akzeptierenden Wahlbetrug. Damit soll eine generelle Unruhe im Land erzeugt werden."
Zu solchen landesweiten Unruhen ist es zunächst nicht gekommen. Nur hier und da flammte Gewalt auf. Ein paar Menschen kamen dabei auch ums Leben. Aber ein Flächenbrand ist bislang nicht zu bemerken. Den wollte auch das Oppositionsbündnis um Fayulu nach eigenen Aussagen mit aller Macht vermeiden.
Vom zweiten Wahlverlierer, dem Präsidentenkandidat Shadary, gab es zunächst keine Stellungnahme. Und das werten Beobachter dann schon als bemerkenswert. Keine Kritik des Regimes am Wahlergebnis, das für das Regime aber bedeutet: Abschied von der Macht.
Das nährt die Gerüchte, dass es eine geheime Absprache zwischen dem Clan um Kabila und dem jetzt siegreichen Félix Tshisekedi gibt. Der Deal könnte in etwas so aussehen: Kabila lässt Tshisekedi die Wahlen gewinnen, Tshisekedi geht dafür freundlich mit dem Clan um Kabila um. Also keine Verteuflung, Verfolgung oder gar Ausweisung aus dem Land.
Handfeste Beweise dafür gibt es nicht. Aber auffällig war schon, dass Tshisekedi am Donnerstag in seiner ersten Stellungnahme nach dem Wahlsieg sehr wohlwollende Worte für Kabila fand. "Ich weiß, dass es für viele von uns schwierig zu akzeptieren ist, aber ich sage es mit ganzer Aufrichtigkeit: Ich würdige den Präsidenten Kabila", sagte er.
Wie gesagt: auffällig milde Worte eines Mannes, der wegen Kabila im Exil in Brüssel aufwachsen musste und dessen Vater Etienne jahrzehntelang das Gesicht der kongolesischen Opposition darstellte.
Das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl soll in vier Tagen bekannt gegeben werden. Danach besteht die Möglichkeit, beim Verfassungsgericht im Kongo Einspruch gegen das Ergebnis einzulegen.
Kay Wagner