Es ist zum Verrücktwerden. Auf der breiten Straße zwischen Manacor und Porto Cristo weist kein Schild auf das geheimnisvolle Weingut hin. Interviews gibt Thomas Wambsganss selten, Reklame hat er nicht nötig. Die hochwertigen 20.000 Flaschen Wein, die er auf seinen knapp fünf Hektar Anbaufläche jedes Jahr erwirtschaftet, verkaufen sich auch ohne Werbung bestens. Als vor kurzem ein deutschsprachiges Mallorca-Hochglanz-Magazin eine Reportage über Wambsganss brachte, ließ der die genaue Adresse seines Weingutes in dem Artikel verfälschen.
Ein paar Mal wende ich genervt auf dem vielbefahrenen Insel-Highway, frage mich in gebrochenem Spanisch durch und stehe endlich vor einem geschlossenen Gatter, hinter dem sich ein ziemlich langer Weg, vorbei an Rebstöcken, bis zum Weingut hochschlängelt, das einen herrschaftlichen Eindruck macht.
Am Gatter melde ich mich per Mobil-Telefon bei Thomas Wambsganss an, der mich mit dem Traktor abholt und zur Finca fährt. Der bärtige, drahtige Mittvierziger trägt kurze Hosen, ein verwaschenes Hemd und auf dem Kopf eine Baseball-Kappe. Man sieht es sofort: Der kommt nicht aus dem Liegestuhl, sondern direkt von der Arbeit aus dem Weinhang.
An dem historischen Gebäudekomplex angekommen, beginnt der unkomplizierte Winzer sofort mit der Führung. "Die Finca ist eines der drittältesten Grundstücke auf der Insel. Es wurde 1263 erstmals erwähnt. Die Insel war bis 1259 in maurischer Hand. 1259 hat Jaime I. von Aragon die Insel dann erobert. In diesem Krieg hat sich ein Soldat namens Pere von Mandia bewährt und der hat dieses Grundstück hier vom König geschenkt bekommen für seine Dienste im Krieg", erklärt Thomas Wambsganss.
"Bei den Häusern auf der linken Seite haben wir ein arabisches Lazarett aus dem neunten Jahrhundert. Und auf der rechten Seite haben wir eine der ersten Kapellen, die es auf der Insel gab - ein Drei-Kreuz-Gewölbe, eine recht kleine. Vor zwanzig Jahren war sie sogar noch in Betrieb. Man findet noch Mallorquiner, die da drin geheiratet haben oder getauft wurden."
Die Finca liegt auf einem Hügel in 97 Metern Höhe. Die Hauptgebäude, aus massivem Stein erbaut, haben den Charakter einer kleinen Festung. "Die Vorderfront ist Kategorie 4 Denkmalschutz, wie der Kölner Dom. Das ist der älteste Teil von dem, was erhalten ist. Innen drin haben wir einen Gewölbekeller, wo man noch schön sieht, wie die Mauren mit Bast und Lehm das Gewölbe gemacht haben. Das ist sensationell", so Wambsganss.
Dass auf diesem Hügel aber schon viel früher Menschen gesiedelt haben, beweist ein sensationeller Fund aus prähistorischer Zeit. Bei Aufräumarbeiten auf dem Gelände entdeckten die Eigentümer der Finca ein geheimnisvolles Steinrelief. Eingeritzt in eine kleine Felsformation, am Rand eines der Weinhügel, die das Anwesen umgeben, sind die Konturen eines Gesichts zu erkennen. Unheimlich sieht es aus. "Diese Maske ist 3.000 Jahre alt. Das ist archäologisch belegt", weiß Wambsganss.
Die eindrucksvolle Maske, die wahrscheinlich aus der Hochphase der Talayotkultur stammt, ist zum Markenzeichen von Thomas Wambsganss geworden und ziert die Etiketten seiner Weinflaschen. "Da vorne, wo jetzt Wein gepflanzt ist, war die ursprüngliche Siedlung. Wir haben hier auf dem Grundstück einen Brunnen, der das ganze Jahr über voll mit Wasser ist. Und das war der Garant, dass sich damals hier Leute niedergelassen haben."
So wertvoll wie in prähistorischer Zeit ist das Trinkwasser auch heute noch auf Mallorca. Wambsganss ist in der glücklichen Lage, zwei eigene Brunnen für die Bewässerung seiner Rebstöcke nutzen zu können. Trotzdem geht er sehr sparsam mit dem Wasser um. Schon aus Prinzip, denn das ist Teil des ökologischen Gesamtkonzepts von Thomas Wambsganss. "Wir investieren sehr viel in die Bodenbearbeitung und lassen den Boden 1,50 Meter tief aufreißen. Das kostet sehr, aber dementsprechend kommen die Reben dann ohne Bewässerung durch. Die nächste Anlage nebendran ist drei Jahre alt und hat bislang nur mit Regenwasser überlebt."
Außerdem: Je tiefer die Wurzeln auf ihrer Suche nach Wasser wachsen, desto mehr Charakter entwickeln sie. Damit die Rebstöcke aber nicht nur Nahrung in flüssiger Form erhalten, setzt der Winzer aus der Pfalz auf Dünger - und zwar aus natürlicher Produktion. "Wir haben 28 Schafe und meine Begrünung, die ich im Spätjahr ausbringe, ist so ausgelegt, dass auch die Schafe gerne fressen. Dadurch, dass die Schafe die fressen, habe ich eine Verkotung und einen Dünge-Eintrag. Durch das Abfressen des Gründüngers wachsen die Pflanzen auch wieder nach und die Wurzeln werden wieder etwas kräftiger. Dadurch habe ich meine eigene Stickstoffversorgung im Weinberg wieder."
Neben den Schafen hält der Winzer auch Schweine und Hühner. Er schlachtet, stellt seine eigene Wurst her, backt Brot, baut Oliven an, aus denen er Öl macht und er möchte sich demnächst auch als Obstbauer betätigen, um seinen eigenen Brand herzustellen. Auch dabei will er seinen eigenen Weg gehen und setzt auf traditionelle, alte mallorquinische Obstsorten. "Wir werden nächstes Jahr eine Art Zwetschge anpflanzen. Rund 200 Stück wollen wir anpflanzen."
Fehlen nur noch Bienen zur Bestäubung. Und auch daran hat der umtriebige Winzer gedacht. Im nächsten Jahr wird er sich auch noch als Imker betätigen. Zehn Stöcke will er mindestens auf seinem Areal ansiedeln.
Weitere Informationen zum Weingut von Thomas Wambsganss auf Mallorca gibt es auf der Webseite von "Mandia Vell".
Alfried Schmitz