"Wir wollen ein stabileres, wohlhabenderes, sozialeres und stärkeres Europa", so fasst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Finanzpolitik der EU für die kommenden Jahre zusammen. Deshalb habe man sich entschieden nach vorne zu gehen. Und deshalb brauche es ein modernes, einfaches und flexibles Budget.
Aber auch ein größeres. Der Gemeinschaftshaushalt der EU soll im nächsten Jahrzehnt spürbar wachsen. Bis Ende 2027 sollen Mittel in Höhe von 1.279 Milliarden Euro eingeplant werden. Das sind im Vergleich zum aktuellen Finanzrahmen immerhin 200 Milliarden Euro mehr.
Haushaltskommissar Günther Oettinger begründet die Mehrausgaben mit zusätzlichen Herausforderungen: "Migration, Terrorismusbekämpfung, Grenzkontrollen und Grenzschutz, Verteidigungsforschung und Verteidigungsindustrie - neue soziale Herausforderungen."
Beispielsweise soll die Zahl der Mitarbeiter bei der europäischen Grenzschutzagentur Frontex aufgestockt werden. "Wir sollten eine Grundlage schaffen, damit die inneren Grenzkontrollen nicht auf Dauer fortgeführt werden müssen. Wenn sie Freizügigkeit für Menschen wahren und Güter im Inneren wieder herstellen wollen, müssen die äußeren Grenzen kontrollierbar sein und brauchen unsere Mitgliedsstaaten Unterstützung und Solidarität", so Oettinger.
Herausforderung Brexit
Die andere Herausforderung heißt Brexit. Im EU-Haushalt muss wegen des für 2019 geplanten EU-Austritts Großbritanniens eine Lücke von rund 15 Milliarden Euro gestopft werden. Der EU-Haushalt steht deshalb unter zwei Prämissen: "Wir gehen diese beiden Probleme an, indem wir zum einen sparen und zum anderen die Mitgliedstaaten auffordern, etwas höhere Einzahlungen durchzuführen."
Um die Einnahmen der EU zu erhöhen, sollen die verbliebenen 27 EU-Mitgliedsstaaten mehr in die Kasse zahlen. Wer wie viel geben will oder kann, darüber wird in Kürze gestritten werden. Oettinger ist zuversichtlich: "Wir glauben, dass wir mit diesen neuen Eigenmitteln die Brexit-Lücke zu 50 Prozent schließen können und in neuen Aufgaben - Migration, Verteidigung, Sicherheit, Digital Europe - in vollem Umfang erfüllen können."
Kritik
Kritik an Oettingers Plänen für höhere Beitragszahlungen kommt unter anderem aus Österreich. Auch in den Niederlanden, Schweden oder Dänemark stoßen die Pläne nicht auf Gegenliebe. Andere Länder wie Deutschland oder Frankreich haben hingegen bereits den Willen signalisiert, mehr zu zahlen.
Auch mit einer neuen Plastikmüllsteuer will die EU-Kommission eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen und gleichzeitig Anreize zur Abfallvermeidung setzen. Damit es aber am Ende einen Kompromiss gibt, muss dann auch gespart werden.
Weniger Geld für Landwirtschaft und Kohäsionspolitik
Und da kommt die EU an der Landwirtschaft nicht vorbei. Die Agrarförderung ist derzeit der größte Posten im EU-Budget. Etwa 58 Milliarden Euro fließen pro Jahr an die Bauern, der Großteil davon als Direktzahlungen. Die sollen künftig um vier Prozent, die Gelder für den gesamten Agrarbereich unterm Strich um fünf Prozent gekürzt werden. Diese Kürzungen sind jedoch niedriger als erwartet. Ursprünglich war von Einschnitten von bis zu zehn Prozent die Rede.
Auch ein anderer dicker Posten, die Kohäsionspolitik, also die Politik für den Zusammenhalt und die Entwicklung der Regionen muss Einschnitte hinnehmen. Hier werden die Mittel für die Projekte um rund sieben Prozent gekürzt.
Oettinger appelliert deshalb sowohl an die Landwirte als auch an die regionalen Regierungen, sich auf diese Einschnitte einzustellen. "Je früher wir beraten, je intensiver und schneller wir entscheiden, desto besser", so Oettinger.
Mehr Geld für Bildung und Forschung
Für Bildung und Forschung soll in den kommenden Jahren hingegen mehr Geld zur Verfügung stehen. Das Programm Erasmus Plus, das unter anderem Studenten und Praktikanten Auslandsaufenthalte ermöglicht, soll um 50 Prozent erhöht werden. Daraus soll auch ein Interrail-Ticket für junge Menschen finanziert werden. "Dass wir die doppelte Zahl von jungen Menschen einladen, Europa, die Kulturen, die Sprachen, die Menschen während ihrer Studien- und Ausbildungszeit kennenzulernen, ist ein hervorragendes Angebot", findet Oettinger.
Auch Forschungsgelder sollen um 60 Prozent erhöht werden. Im Wettbewerb etwa mit den USA müsse hier mehr investiert werden, sagt Oettinger.
Die EU-Staaten müssten den Vorschlägen einstimmig zustimmen, damit sie umgesetzt werden können. Das soll nach Wunsch der Kommission noch vor den Europawahlen 2019 passieren.
vk/mg