In dieser Geschichte dreht sich alles um Plattfische, wie etwa Schollen oder Seezungen, bzw. es geht um den Fang dieser Tiere. Die meisten Fischer nutzen dafür nach wie vor klassische Boden-Schleppnetze. Der Fachmann spricht von Baumkurren. Diese Schleppnetze graben sich manchmal tief in den Meeresboden ein, pflügen ihn quasi um, um an die Fische heranzukommen, die auf dem Meeresgrund leben. Eben dieser Meeresgrund wird durch diese Methode also regelrecht geschleift.
Genau das sei bei der Elektrofischerei deutlich weniger der Fall, sagte Hans Polet vom Institut für Landwirtschafts- und Fischereiforschung ILVO in der VRT. Und das muss man sich so vorstellen: Das Netz gleitet fast schon über den Meeresboden. Dabei werden Stromimpulse ausgesendet, die die Plattfische am Boden aufschrecken und quasi - wie ferngesteuert - in die Netze schwimmen lassen. Deswegen spricht man auch von "Puls-Fischerei".
Bislang war das nur "zu Forschungszwecken" erlaubt - und das darüber hinaus auch nur in der Nordsee. Genutzt haben diese Technik eigentlich fast ausschließlich die niederländischen Fischer. Und da hat man die besagten "Forschungszwecke" offensichtlich breit interpretiert - konkret: Die Niederländer nutzen massiv diese Elektrofischerei.
Deren Argumente fasst der Forscher Hans Polet zusammen: Nicht nur, dass die klassischen Schleppnetze den Meeresboden umgraben, das kostet natürlich auch Kraft und damit Treibstoff. Insofern löse die Elektrofischerei gleich mehrere Probleme. In Zahlen ausgedrückt: Die Befürworter sagen, dass sie bis zu 60 Prozent Treibstoff sparen bei gleichzeitig höherem Ertrag - davon abgesehen, dass auch der unerwünschte Beifang deutlich kleiner ausfällt.
Wirtschaftliche Interessen
Wenn da die Stromstöße nicht wären... Aus dem Bauch heraus sagen da viele: "Es geht nicht an, dass die Fische auch noch unnötig gequält werden, bevor sie getötet werden." Umweltschützer wirken da so ein bisschen hin- und hergerissen. "Wir verfügen bislang nicht über Daten, die beweisen, dass die Umwelt durch diese Technik nicht geschädigt wird", sagte Koen Struyck von der Umweltschutzorganisation WWF in der RTBF. Deswegen hätte man sich auch gewünscht, dass die Abstimmung verschoben wird.
Ob die Elektrofischerei - aus ökologischer Sicht - nun problematisch ist oder nicht - man weiß es einfach nicht. Dennoch hat das EU-Parlament diese Technik jetzt erstmal verboten und zwar vollständig. Nur ist der Verdacht erlaubt, dass es eigentlich nicht so sehr die Sorge um die Umwelt war, die die EU-Abgeordneten zu diesem Schritt bewegt hat. Hier geht es nämlich auch um knallharte wirtschaftliche Interessen. Diejenigen, die die Technik schon nutzen, sind nämlich klar im Vorteil, eben weil sie unter anderem erheblich niedrigere Treibstoffkosten haben. Und wo es Gewinner gibt, da gibt es eben auch Verlierer.
Der N-VA-Europaabgeordnete Sander Lones macht da gar keinen Hehl draus: "Unsere flämischen Fischer können ihre Schiffe nicht so schnell umrüsten." Und in der Zwischenzeit könne und wolle man nicht zusehen, wie die Holländer unsere flämische Nordsee leer fischen. Man hört es: Um die Umwelt geht es hier allenfalls ganz am Rande.
Hintertür
Bezeichnenderweise plädiert gerade der flämische Reederverband für eine Hintertür: "Es wäre schön, wenn man zumindest mittelfristig dieser Technik eine Chance geben würde", sagte ein Sprecher in der VRT. Im Grunde sagt der Reederverband also: Verbietet die Technik nur so lange, bis wir unsere Trawler nachgerüstet haben.
Bezeichnend für das Malaise: Umweltpolitiker haben im EU-Parlament gegen die entsprechende Vorlage gestimmt. Das Ganze sei auf die Elektrofischerei zugespitzt worden. Das habe dazu geführt, dass fast nicht mehr auffalle, dass in anderen Bereichen die Regeln gelockert wurden, z.B. was die Begrenzung des Beifangs angeht, beklagen die Kritiker, unter anderem die Grünen. Ergo: Was wie eine umweltpolitische Maßnahme aussehen kann, erscheint in der Praxis manchmal fast wie das genaue Gegenteil.
Roger Pint