"Es war mal wieder ein europäisches Treffen, bei dem wir bei vielen Themen deutliche Fortschritte erzielen konnten", das sagte Michel schon am Donnerstagabend. Und schon da war tatsächlich viel gesprochen worden. Die Gipfelteilnehmer hatten zunächst über Digitales geredet. Für Michel war dabei die verstärkte Zusammenarbeit bei der Cyber-Security wichtig, also die gemeinsame Anstrengung in Europa, Angriffe über das Internet abwehren zu können. Belgien sei da sc hon seit drei Jahren sehr aktiv, aber allein könne ein Land bei diesem Thema kaum alle Gefahren alleine bewältigen.
Gemeinsam soll auch das neue G5-Mobilfunknetz in Europa ausgerollt werden. Das ist der deutschen Bundeskanzlerin wichtig. Wenn Anfang der 2020er Jahre die ersten autonomen Autos durch Europa fahren, müsste überall in der EU diese neue Technik zur Verfügung stehen, fordert Angela Merkel. Angeblich traf sie mit dieser Forderung auf Zustimmung.
Einwanderung und Türkei
Beim Thema Einwanderung stellten die Gipfelteilnehmer fest: Die Flüchtlingsströme sind nicht mehr so stark wie früher, die Wege, auf denen Flüchtlinge nach Europa kommen, werden immer besser kontrolliert, die Arbeiten an einem europäischen Asylrecht kommen voran. Ebenso Fortschritte bei einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie. Erste konkrete Vorschläge sollen im Juni von den Verteidigungsministern ausgearbeitet werden. Anders als die USA kein Aufkündigen des Atomabkommens mit dem Iran, eventuell weitere Sanktionen gegen Nord-Korea.
Und dann kam die Türkei. "Bezüglich des Beitritts der Türkei in die Europäische Union war die Skepsis gestern sehr deutlich sichtbar", sagte Ratspräsident Donald Tusk am Freitag auf der abschließenden Pressekonferenz. Auf dieser kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, sich mit der Forderung der EU-Mitgliedsländer zu befassen, wie die so genannten Vorbeitrittshilfen für die Türkei eventuell umgeschichtet werden können.
Brexit-Verhandlungen stocken
Zum Brexit sagte Juncker nur: "Zum Brexit sage ich nichts, denn es gibt nichts zu sagen." Das stimmt in der Substanz. Denn alles Bitten von Großbritanniens Premierministerin Theresa May war letztlich umsonst. Die EU wird Phase zwei der Gespräche nicht starten, bevor nicht Phase eins abgeschlossen ist. Da geht es um die finanziellen Forderungen an die Briten. Die Verhandlungen hier stocken. May würde gerne trotzdem weitergehen. Die EU aber nicht. Diesen Standpunkt hatte sie von Anfang an vertreten.
Und dann war Schluss. Juncker und Tusk musste zu einer Preisverleihung nach Spanien, Michel in seinen innenpolitischen Alltag zurück, genau wie Merkel. Doch bevor sie zu den Koalitionsverhandlungen nach Deutschland zurückflog, sagte sie - ähnlich wie Michel zuvor: "Es war ein sehr konstruktiver Rat mit sehr guten Gesprächen, einem sehr sehr guten Klima, um nach vorne zu schauen - der Gemeinsamkeit - und auch einer ambitionierten europäischen Agenda."
Kay Wagner - Bild: Thierry Roge/BELGA