"Vertiefung und Erweiterung des Euroraums werden parallel weitergehen", sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Freitag nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Tallinn. "Einige Länder arbeiten sehr hart daran, die Beitrittskriterien zu erfüllen. In anderen gibt es dazu im Moment kaum Ambitionen." In jedem Fall könnten Länder aber nicht zur Einführung der Gemeinschaftswährung gezwungen werden.
Juncker hatte in einer Grundsatzrede zur Lage der EU am Mittwoch darauf gedrungen, den Euro in sämtlichen EU-Ländern einzuführen. In den EU-Verträgen ist dies als Ziel bereits vorgesehen - mit Ausnahme von Dänemark und Großbritannien. Die Länder müssen aber eine Reihe von Beitrittskriterien erfüllen, so darf die Staatsverschuldung etwa nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, die jährliche Neuverschuldung nicht mehr als 3 Prozent des BIP. Fristen oder Zwangsmechanismen gibt es nicht.
Junckers Vorstoß war zuvor unter anderem teils auf Kritik gestoßen, weil es zwischen einigen Nicht-Euro-Ländern wie etwa Bulgarien und Rumänien und starken Euro-Staaten wie Deutschland und Frankreich erhebliche Unterschiede gibt. Zudem wollen einige Länder wie etwa Ungarn den Euro derzeit gar nicht. Auch die polnische Regierung erklärte, in näherer Zukunft die Gemeinschaftswährung nicht einführen zu wollen. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Polen und der Eurozone seien zu groß, daher könne der Beitritt negative Folgen für die Wirtschaft haben.
Nach Ansicht von Dijsselbloem wird es in jedem Falle lange dauern, bis praktisch alle EU-Länder in den Euro eingebunden sind. "Es wird sehr von der Entwicklung in einigen - sagen wir - künftigen Eurozonen-Ländern sowie ihrer Bereitschaft zum Euro-Beitritt abhängen", sagte er. "Ich glaube nicht, dass wir das von oben herab beschleunigen können."
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire plädierte indes nachdrücklich für eine aktive Vertiefung und Ausweitung des gemeinsamen Währungsgebiets. "Wir haben eine einzigartige Gelegenheit, mit der Integration der Eurozone voranzuschreiten", sagte er. Die wirtschaftliche Situation in Europa sei nach Jahren der Krise endlich besser. Zuletzt wurde in den EU-Staaten wieder - teils jedoch verhaltenes - Wachstum verzeichnet.
Ein großer fehlender Baustein in der Eurozonen-Integration ist die Vollendung der Bankenunion. In den vergangenen Jahren wurden bereits eine gemeinsame Aufsicht für die wichtigsten Geldinstitute im Euroraum sowie ein gemeinsamer Abwicklungsmechanismus für mögliche Bankenausfälle eingerichtet. Angepeilt ist noch eine gemeinsame Einlagensicherung zum Schutz von Bankguthaben.
Juncker hatte in dem Zusammenhang auch das Amt eines EU-Finanzministers ins Spiel gebracht, der zugleich Vizepräsident der EU-Kommission sein solle. Dieser Vorschlag wurde kritischer aufgenommen. "Wir sollten die Debatte damit beginnen, was der Eurozone fehlt, Widerstandsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Solidarität", meinte Dijsselbloem. Anschließend könnte über institutionelle Änderungen gesprochen werden.
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