"Du kannst mich einen Träumer nennen, aber ich bin nicht der einzige." EU-Ratspräsident Donald Tusk zitiert aus John Lennons Song "Imagine". "Stopp", sagen da aber einige Regierungschefs ungewöhnlich deutlich: "Ich bin kein Träumer und ich bin nicht der einzige", sagt Premierminister Charles Michel. Auch der luxemburgische Kollege Xavier Bettel hat keine Lust zu träumen.
Was war denn da los? Nun: Donald Tusk sprach über den Brexit und er gab zu verstehen, dass seiner Ansicht nach die Türe noch nicht zu ist, dass also der Exit vom Brexit noch möglich sei.
"Sie können mich einen Träumer nennen"..."Wir haben aber keine Zeit zu träumen", hält Charles Michel dagegen. Wenn man jetzt den Brexit infrage stelle, dann schaffe man doch nur wieder neue Unsicherheit. "Wir brauchen aber klare Verhältnisse", sagt Michel.
Zukunft zu 27
Gerade Anfang dieser Woche haben ja die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU begonnen. "Endlich", sagt man insbesondere in Brüssel. Man habe ja schon genug Zeit verloren. Viele Journalisten wollten denn auch darüber reden - im Gegensatz zu ihren Gesprächspartnern: "Wir wollen über die Zukunft der EU reden", sagte Premierminister Charles Michel, "über mehr Sicherheit, mehr Zusammenarbeit, mehr wirtschaftliche Entwicklung, mehr Jobs, mehr Innovation."
Michel ist "not the only one", nicht der einzige. Rückendeckung gab es vom Gast aus Berlin. "Ich will ganz deutlich sagen: Für mich hat die Gestaltung der 27 Mitgliedsstaaten Vorrang vor der Frage der Verhandlungen in Großbritannien über den Austritt", so Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die klare Ansage also: Die Brexit-Verhandlungen sind die Brexit-Verhandlungen, wir blicken hier klar auf die gemeinsame Zukunft zu 27. Insofern hätte die britische Premierministerin Theresa May eigentlich wieder nach Hause fahren können...
Ein anderer ist am Donnerstag zum ersten Mal gekommen: Emmanuel Macron, der neue französische Präsident. Und auf den richten sich am Donnerstag ganz viele Augen, auch am Gipfeltisch. Premierminister Charles Michel traut es Macron zu, der angestrebten Reform der EU nochmal zusätzlich Auftrieb zu geben. Ähnlich äußert sich auch Angela Merkel: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, weil ich glaube, dass Kreativität und neue Impulse, die von Frankreich und Deutschland ausgehen, allen gut tun können." Angela Merkel sieht also quasi die deutsch-französische Achse wiederauferstehen.
Erster Gipfel für Macron
Und dann kam er an, der so mit Vorschusslorbeeren Bedachte. Und seine ersten Worte vor den Brüsseler Pressemikrophonen waren gleich ein Bekenntnis zu Europa: Europa, das sei mehr, als nur eine Idee, sagte Macron, das sei ein konkretes Projekt, eine Ambition. Nur, eben drum: Damit diese EU eine Zukunft habe, müsse sie einen Mehrwert für die Menschen darstellen. Die Gipfelthemen, Sicherheit, Wirtschaftspolitik, Migration, Klimaschutz, all das sind Themen, die die Bürger in ihrem Alltag ganz konkret betreffen. "Wir müssen Antworten finden auf die Sorgen und Ängste der Leute, auch auf die Auswüchse der Globalisierung."
Macron hatte sich ja im Wahlkampf zu hundert Prozent zur EU bekannt, allerdings eben zu einer anderen, einer besseren, einer effizienteren EU, die sich an den Bürgern ausrichtet. Beispiel: sein handelspolitisches Credo. Er sei ein Verfechter von Freihandel, aber nicht von einer naiven Politik der Öffnung. Man dürfe sich nur demjenigen öffnen, der sich an gewisse Regeln hält.
Ein potentielles Streitthema soll übrigens entschärft werden: Man will nicht beim Gipfel beschließen, wohin die Agenturen umziehen, die Großbritannien nach dem Brexit verlassen. Diese Standortfragen sollen über eine Art Ausschreibung geregelt werden. Fazit, diesmal von der deutschen Bundeskanzlerin: "Ich glaube, es ist ein in optimistischer Stimmung stattfindender Rat und ich hoffe doch auf einige konkrete Resultate - insbesondere im Bereich der Verteidigungspolitik."
Roger Pint - Bild: Emmanuel Dunand/AFP