Wenige Tage vor der Parlamentswahl und knapp zwei Wochen nach dem Bombenanschlag in Manchester ist Großbritannien erneut Ziel eines Terroranschlages geworden. Nach bisherigen Erkenntnissen töteten am späten Samstagabend in London drei mutmaßliche Täter mindestens sieben Menschen, wie die Polizei mitteilte. Mindestens 48 weitere Menschen wurden verletzt. Drei mutmaßliche Angreifer wurden nach Polizeiangaben erschossen. Großbritanniens Anti-Terror-Chef Mark Rowley erklärte am frühen Sonntagmorgen, die Polizei behandle die Angriffe als "terroristische Vorfälle".
Bislang hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Jedoch verwies Rita Katz, Direktorin der auf dschihadistische Propaganda spezialisierten Site Intelligence Group, darauf, dass Anhänger der IS-Terrorgruppe den Anschlag in ihren Foren und Chat-Kanälen feierten und den IS hinter der Tat vermuteten.
Die Konservative Partei von Premierministerin Theresa May setzte am Sonntag ihren Wahlkampf vorübergehend aus. Am Donnerstag wählt Großbritannien ein neues Parlament.
Die Attacke begann am späten Samstagabend auf der London Bridge im Zentrum und setzte sich auf dem nahe gelegenen Borough Market fort. Die Täter griffen ihre Opfer zuerst mit einem Kleintransporter und dann mit Messern an.
Premierministerin Theresa May hatte zuerst von einem möglichen Terrorakt gesprochen. Die Polizei ging am Morgen davon aus, dass es über die drei erschossenen Verdächtigen hinaus keine weiteren Täter gebe. Man müsse aber noch weiter ermitteln, um dies mit hundertprozentiger Sicherheit sagen zu können, erklärte Großbritanniens Anti-Terror-Chef Mark Rowley.
May berief Medienberichten zufolge für Sonntagmorgen eine Sondersitzung des Cobra-Komitees, des höchsten britischen Sicherheitsgremiums, ein.
Laut Polizeiangaben fuhr am Samstagabend zunächst ein Lieferwagen auf der London Bridge in eine Gruppe von Fußgängern. Das Auto sei dann weiter zum nur wenige hundert Meter entfernten Borough Market gefahren. Dort stiegen drei mutmaßliche Täter aus und attackierten Menschen mit Messern.
Angreifer erschossen
Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden die Angreifer am Borough Market von Sicherheitskräften erschossen - acht Minuten nach Eingang des Notrufs. Die Attentäter hätten Westen getragen, die so ausgesehen hätten, als würden sie Sprengstoff enthalten. Die Westen hätte sich später jedoch als harmlose Attrappen entpuppt.
Zunächst hatte es geheißen, die mutmaßlichen Täter seien bereits auf der London Bridge aus dem Fahrzeug gesprungen und hätten verletzte Personen mit Messern attackiert. «Das war wie ein Amoklauf», zitierte die BBC einen Zeugen. Anschließend seien die Täter zu Bars und Restaurants in der Umgebung gelaufen und hätten gerufen: "Dies ist für Allah". Auf Twitter hatte die Polizei die Bevölkerung aufgefordert, das Gebiet zu meiden. Die London Bridge wurde komplett abgeriegelt. Der Borough Markt ist eine beliebte Touristenattraktion.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan sprach von einer "gezielten und feigen Attacke" auf unschuldige Londoner und Besucher. Die Polizei sperrte große Areale in der Stadt weiträumig ab. Sie bat die Menschen, nicht leichtfertig Videos und Bilder von den Tatorten in Umlauf zu bringen.
Erst vor knapp zwei Wochen hatte der 22-jährige Selbstmordattentäter Salman Abedi nach einem Konzert des Teenie-Stars Ariana Grande in Manchester mit einer Bombe 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Bei dem Terroranschlag waren mehr als 100 Personen verletzt worden.
Die Terrorattacke auf der London Bridge erinnert an einen Angriff im März: Am 22. März war ein 52-jähriger Mann auf der Westminster-Brücke in London mit hohem Tempo in Fußgänger gefahren. Anschließend tötete er mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten. Bei dem Terrorangriff waren sechs Menschen ums Leben gekommen und Dutzende Menschen verletzt worden. Der Attentäter wurde erschossen.
Reaktionen
Belgien steht nach der Terrorattacke in London nach den Worten von Premierminister Charles Michel an der Seite Großbritanniens. Michel sprach am Sonntagmorgen von einer "neuen Tragödie". Ob sich auch Belgier unter den Toten und Verletzten der Anschläge befinden ist noch unklar. Das Außenministerium verfügt vorläufig noch über keine Informationen darüber.
Auch diie deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich bestürzt. "Wir sind heute über alle Grenzen hinweg im Entsetzen und der Trauer vereint, aber genauso in der Entschiedenheit", sagte die Kanzlerin in einer Erklärung. Die Kanzlerin bekräftigte, dass Deutschland im Kampf gegen jede Form von Terrorismus "fest und entschlossen" an der Seite Großbritanniens stehe.
US-Präsident Donald Trump verurteilte die Terrorattacke scharf und drückte der britischen Premierministerin May telefonisch sein Beileid ausgedrückt. "Er (der Präsident) lobte die heroische Reaktion von Polizei und anderen Ersthelfern und bot die volle Unterstützung der US-Regierung bei der Untersuchung an sowie bei den Bemühungen, die Verantwortlichen für diese abscheulichen Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen", teilte das Weiße Haus in der Nacht zum Sonntag mit.
Der französische Staatspräsidenten Emmanuel Macron schrieb auf Twitter, Frankreich stehe nach der "neuen Tragödie" an der Seite Großbritanniens. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien."
dpa/belga/rkr/mg - Bild: Chris J. Ratcliffe/AFP