Zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge hat Papst Franziskus die Europäische Union eindringlich zu Solidarität und Zusammenhalt aufgerufen. Bei einer Audienz für die Staats- und Regierungschefs der EU im Vatikan sagte der Papst, Solidarität sei das wirksamste Heilmittel gegen die modernen Formen des Populismus, dürfe aber nicht nur aus Worten bestehen. "Die Solidarität ist nicht nur ein guter Vorsatz. Sie ist gekennzeichnet durch konkrete Taten und Handlungen", betonte er. Populistische Strömungen seien dagegen "Blüten des Egoismus".
Bei der Audienz waren neben den 27 "Chefs" auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und weitere EU-Spitzen dabei. Die britische Premierministerin Theresa May nimmt nach der Brexit-Entscheidung ihres Landes an den Jubiläumsfeiern nicht teil.
Die Römischen Verträge legten vor 60 Jahren den Grundstein für die heutige EU. "Sechzig Jahre später nach Rom zurückzukehren, darf nicht bloß eine Reise in die Erinnerungen sein", mahnte Franziskus. Die Gründungsideale der Europäischen Union dürften nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Erfordernisse reduziert werden, sagte der Papst weiter. Europa sei mehr als die Summe einzuhaltender Regeln, "nicht ein Handbuch von zu befolgenden Protokollen und Verfahrensweisen".
Franziskus appellierte an die Staats- und Regierungschefs, die Flüchtlingsbewegungen auch als Herausforderung für das ideelle und geistige Erbe Europas zu begreifen. "Man kann sich nicht darauf beschränken, die schwerwiegende Flüchtlingskrise dieser Jahre so zu bewältigen, als sei sie nur ein zahlenmäßiges, wirtschaftliches oder die Sicherheit betreffendes Problem. Die Migrationsproblematik stellt eine tiefere Frage, die vor allem kultureller Natur ist", sagte er.
"Europa findet wieder Hoffnung, wenn es in die Entwicklung und den Frieden investiert", fuhr Franziskus fort. Es müsse sich aber auch den jungen Menschen öffnen und ihnen ernsthafte Perspektiven zur Bildung und zur Eingliederung in die Arbeitswelt geben. "Es gibt keinen Frieden, wo Arbeit und die Aussicht auf einen menschenwürdigen Lohn fehlen", sagte der Papst.
dpa/rkr - Bild: Osservatore Romano/AFP