"Wir wollen Europa einen", sagte Robert Schuman, einer der Gründerväter der späteren EWG, der heutigen EU. Es war Schuman, der als französischer Außenminister 1950 einen flammenden Appell für die Einigung Europas lancierte. Diese historische Erklärung gilt mit als die Geburtsstunde des europäischen Einigungsgedankens.
Ohne ein geeintes Europa hatten wir den Krieg, sagte Schuman später. Und machen wir uns nichts weiß: Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Europa wird sich in kleinen Etappen realisieren, durch konkrete Projekte. Im Mittelpunkt wird dabei aber die Solidarität stehen.
Ein langer Weg wurde es tatsächlich, allerdings -und das ist viel wichtiger: Immerhin wurde dieser Weg überhaupt beschritten. 1951 folgte dann schon die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die so genannte "Montanunion". Und am 25. März 1957 wurde Schumans Traum Wirklichkeit: Sechs Länder, allen voran Frankreich und Deutschland, vereinbarten eine enge Zusammenarbeit insbesondere in Wirtschaftsfragen, der Grundstein für die heutige Europäische Union war gelegt.
Für Schuman und die anderen Gründerväter wie den Belgier Paul-Henri Spaak war Europa immer in erster Linie ein Friedensprojekt. Die Menschen und damit auch die damalige Politikergeneration waren geprägt vom Trauma des Zweiten Weltkrieges. Indem wir unsere Ressourcen zusammenlegen, erreichen wir nicht nur Wohlstand, sondern werden wir auch eine solche Katastrophe künftig verhindern, war Schuman überzeugt.
Von Krise zu Krise
Dieses Europa war lange Zeit eine einzige Erfolgsgeschichte. Im Grunde ist das immer noch so, wenn da nicht die derzeitige Sinnkrise wäre. Seit rund zehn Jahren ist die EU eigentlich fast schon gleichbedeutend mit "Krisen": Finanz- und Wirtschaftskrise, Griechenlandkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise... All diese Krisen haben Spuren hinterlassen. Viele Menschen glauben nicht mehr an die EU. Diese Sinnkrise hat die Staatengemeinschaft spätestens mit dem Brexit quasi schriftlich bekommen.
Insofern ist wohl den wenigsten wirklich zum Feiern zumute, wenn in Rom an die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren erinnert wird. Jeder weiß: Wenn wirklich alle Stricke reißen, dann könnte es einen 70ten Geburtstag vielleicht gar nicht mehr geben.
Deswegen wird in Rom nicht nur gefeiert, man will auch resolut nach vorn blicken. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei der Gelegenheit jedenfalls eine "Erklärung von Rom" unterzeichnen, die sozusagen die Eckpunkte der EU der Zukunft umfassen soll.
EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten
Die Benelux-Staaten wollen auch ihr Quäntchen dazu beitragen, dass es jetzt wieder vorwärts geht. Die Niederlande, Luxemburg und Belgien starteten eine gemeinsame Initiative. Man werde unter anderem die vier sogenannten Visegrad-Staaten einladen, um mit ihnen über die Zukunft zu beraten. Später wolle man das gleiche auch mit den drei baltischen Staaten machen, sagte der amtierende niederländische Premier Marc Rutte beim letzten EU-Gipfel vor zwei Wochen.
Wenn man in die Zukunft blickt, dann ist dabei eine Option das ominöse "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten". Hier gehe es nicht darum, Länder auszuschließen, machte der Luxemburgischer Premier Xavier Bettel jetzt im Sender Euronews noch einmal klar. Ziel sei allein, dass die Länder, die es wollen, vorangehen können. Er wolle nicht, dass einzelne Länder den ganzen Prozess blockieren können. Lieber ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, als ein scheintotes Europa, so Bettel.
Der belgische Kollege Charles Michel sieht das ähnlich: Warum zweifeln die Menschen an Europa? Weil Europa nicht schnell genug die angemessenen Antworten auf die Krisen geliefert hat, sagt Michel. Man müsse also jetzt dafür sorgen, dass Europa wieder effizienter wird. Eine Möglichkeit sei, dass die, die es wollen, vorangehen.
Die "Mustereuropäer", die Europäer aus Überzeugung, sie wollen also nicht die Flinte ins Korn werfen. Nach dem Motto also: Wir brauchen Europa, aber Europa braucht jetzt auch uns.
Roger Pint - Bild: Emmanuel Dunand (afp)