Polen hat sich ganz schön blamiert. Bis zuletzt hatte Regierungschefin Beata Szydlo gegen Landsmann Donald Tusk Stunk gemacht. "Ich lasse die Regel 'der Stärkere gewinnt' nicht zu. Es wird die Situation nicht geben, in der jemand zum Ratspräsidenten gewählt wird, der nicht von seinem Heimatland unterstützt wird", sagte Szydlo bei ihrer Ankunft in Brüssel.
Polen hatte aber besonders schlechte Karten: Erstens, weil für die Wiederwahl des Ratsvorsitzenden keine Einstimmigkeit von Nöten ist, sondern eine qualifizierte Mehrheit reicht. Und zweitens, weil alle EU-Staaten mit Tusks Arbeit zufrieden sind und im Vorfeld angekündigt haben, ihn wiederzuwählen.
"Wir haben eine klare Präferenz für Tusk. Und es wird hier heute kein Hauen und Stechen geben. Die EU muss sich rasch wieder den Themen widmen, die die Menschen in Europa beschäftigen", sagt Premierminister Charles Michel.
Klare Unterstützung für Tusk auch aus Deutschland und Österreich. "Deutschland wird die Wiederwahl von Donald Tusk unterstützen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und ihr Amtskollege Christian Kern meint: "Die Motive, die seitens der Polen hier eingeführt werden, sind nicht akzeptabel. Donald Tusk hat einen guten Job gemacht. Wir würden Europa in eine sinnlose Krise stürzen, wenn wir jetzt eine Personaldiskussion an der Spitze des Rates beginnen."
Sogar das sonst so EU- und Brüssel-kritische Ungarn von Regierungschef Viktor Orban hat Tusk seine Unterstützung zugesichert. Im Sinne von Kontinuität und Stabilität an der Spitze des Europäischen Rats ergriff auch Frankreichs Präsident François Hollande Partei für Tusk. "Ich wüsste nicht, wie ein einziges Land alle anderen EU-Staaten blockieren könnte", erklärte Hollande.
Polens Regierungschefin hat das versucht. Als einzige von 28 stimmte sie wegen politischer Differenzen gegen die Wiederwahl ihres Landsmanns Donald Tusk. Es ist Szydlos Parteichef, der mächtige PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der eine Fede gegen Tusk führt und sein Land auf dem europäischen Parkett völlig isoliert hat.
Tusks Wiederwahl ist inzwischen in trockenen Tüchern. Warschau ist von allen anderen EU-Staaten überstimmt worden. Um sich zu rächen, könnte Polen die Abschlusserklärung und damit den Rest des Gipfels boykottieren. Damit würde sich die nationalkonservative Regierung aber nur noch lächerlicher machen.
Alain Kniebs - Bild: Thierry Roge/BELGA