Fünf Monate nach dem verheerenden Beben von Amatrice haben vier heftige Erdstöße innerhalb weniger Stunden erneut die Region in Mittelitalien getroffen. Zum Glück scheine es, als habe es keine Todesopfer gegeben, sagte Ministerpräsident Paolo Gentiloni am Mittwoch in Berlin. Ein Schneechaos erschwerte jedoch die Hilfe nach den Erdbeben. Innerhalb einer Stunde hatten drei schwere Stöße - alle mit einer Stärke über 5 - am Vormittag die Region um den bereits zerstörten Ort Amatrice erschüttert. Am Nachmittag folgte ein Beben der Stärke 5,1.
Auch im 150 Kilometer entfernten Rom waren die Beben deutlich zu spüren. Häuser wackelten, die U-Bahn wurde zeitweise gesperrt. Schulen und Büros wurden evakuiert. Seismologen schließen nicht aus, dass auf die Beben vom Mittwoch noch schwerere Erdstöße folgen.
Der viele Schnee mache die Situation in der bergigen Region, die bereits im August und im Oktober von der Naturgewalt heimgesucht wurde, besonders kompliziert, sagte der Chef des Zivilschutzes, Fabrizio Curcio. Die Zentren der Beben lagen laut Erdbebenwarte alle in rund zehn Kilometern Tiefe zwischen der Abruzzen-Stadt L'Aquila und der Stadt Rieti in der Region Latium und damit nahe der Stadt Amatrice.
Dort waren bei dem verheerenden Beben am 24. August die meisten der fast 300 Toten zu beklagen. Ganze Orte waren zerstört worden. Unzählige Nachbeben erschweren die Aufräumarbeiten: Dem Zivilschutz zufolge wurden seitdem mehr als 45.000 Beben registriert.
"Dass es immer wieder zu so starken Erdbeben kommt, ist alarmierend für die Bevölkerung vor Ort, die ja bereits so viele Schicksalsschläge hinnehmen musste", sagte Gentiloni. Er sprach von einem schwierigen Tag für sein Land. Er habe sich mit dem Zivilschutz und dem Verteidigungsministerium abgestimmt und eine Verstärkung des ohnehin schon präsenten Militärs angefordert. "Wir versuchen, die Situation so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten."
"Der Notfall ist nicht das Erbeben, sondern der Schnee"
Schon vor den schweren Erdbeben am Mittwoch ächzte die Region unter Schneemassen - dem Zivilschutz zufolge erschweren die Wetterbedingungen anlaufende Hilfen. Die Bürgermeister der betroffenen Orte setzten Hilferufe ab. "Der Notfall ist nicht das Erdbeben (...), sondern der Schnee", sagte der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, laut Nachrichtenagentur Ansa. Mehr Räumfahrzeuge und Schneefräsen seien notwendig. «Wir haben Ortsteile, die von zwei Meter hohen Schnee isoliert sind.»
"Es gibt keine Opfer, aber viele Schäden. Einige Orte sind bereits seit 48 Stunden ohne Strom", sagte der Präsident der Region Abruzzen, Luciano D'Alfonso, dem Journal des Zivilschutzes. Der Bürgermeister der Stadt Ascoli Piceno in den Marken verlangte Hilfe des Militärs. "Hier sind Hunderte Menschen isoliert und ohne Strom", sagte Guido Castelli laut Zeitung "La Repubblica". "Die Leute sind terrorisiert." Er sprach von einem "monströsen Notfall".
Zehntausende Menschen wurden bei den Beben im vergangenen Jahr obdachlos und wohnen seither in Übergangsunterkünften. Man könne nicht ausschließen, dass auf die Beben am Mittwoch weitere, noch schwerere Erdstöße folgen, sagte der Geologe der Erdbebenwarte INGV, Carlo Meletti, der Zeitung "La Repubblica".
Italien wird immer wieder von schweren Erdbeben heimgesucht. Grund für die Beben sind riesige Spannungen, die sich im Untergrund aufbauen. Der "Adriatische Sporn" - ein Anhängsel der afrikanischen Erdplatte - reibt sich dort an der eurasische Platte. Auch deshalb haben sich Italiens Mittelgebirge aufgefaltet. Die enormen Energien können sich immer wieder in Beben entladen.
dpa/est - Bild: Andreas Solaro/AFP