Die ersten beiden Wahlgänge haben keine Entscheidung gebracht. Sollte auch der dritte ohne Kandidaten mit der absoluten Mehrheit zu Ende gehen, folgt um 20 Uhr eine Stichwahl.
Vermutlich werden dann nur noch Antonio Tajani von den Christdemokraten und der Sozialist Gianni Pittella im Rennen sein. Wegen der Größe seiner Fraktion hat der EVP-Kandidat die weitaus besseren Karten.
Der Tag in Straßburg begann mit einer kleinen Überraschung. Die Liberalen von Guy Verhofstadt gingen ein pro-europäisches Bündnis mit den Christdemokraten ein - und der Belgier zog seine Kandidatur zurück.
Die Blauen im Europaparlament stützen den EVP-Mann Tajani, im Gegenzug bekommen sie Pöstchen im Parlament und mehr Unterstützung für europäische Reformprojekte von den Christdemokraten. "Ein radikal pro-europäischer Deal", sagt Verhofstadt.
Kritik der Sozialisten
Kaum zu glauben, wettert die rote Fraktion. Erst wäre Verhofstadt beinahe ein Bündnis mit der euroskeptischen Fünf-Sterne-Bewegung des Italieners Beppe Grillo eingegangen, jetzt eine Allianz mit den Konservativen. Und das innerhalb von nur einer Woche.
Erst habe Verhofstadt fast seine Seele an einen Europakritiker verkauft, jetzt schenke er sein Herz einem Berluscunio-Vertrauten. "Ich verstehe das nicht", sagt die sozialistische EU-Abgeordnete Kathleen Van Brempt.
Kandidat Antonio Tajani gilt als Freund von Silvio Berlusconi. Er ist außerdem umstritten, weil er als ehemalige EU-Industriekommissar nichts gegen den VW-Abgasskandal unternommen hat.
Unterm Strich ist das Bündnis mit der EVP für Verhofstadt aber ein schlauer Schachzug: So wird man nie erfahren, wie viele Stimmen er bei der Wahl bekommen hätte und ob alle liberalen Fraktionsmitglieder tatsächlich für ihn gestimmt hätten.
Belgische Bewerberin
Unter den sechs Bewerbern für die Schulz-Nachfolge war eine Belgierin: die gehörlose EU-Abgeordnete Helga Stevens von der N-VA. Mit ihrer Bewerbungsrede in Zeichensprache erregte sie viel Aufsehen im Halbrund und verschaffte sich Respekt.
"Ich bin vielleicht taub, aber eine sehr gute Zuhörerin", erklärte ihre Übersetzerin im Europaparlament. Wegen der Konkurrenz aus den großen Fraktionen ist sie aber so gut wie chancenlos.
Der nächste EU-Präsident wird wohl ein Mann werden und heißt nach derzeitigem Stand vermutlich Antionio Tajani.
Alain Kniebs - Bilder: Frederick Florin/AFP