So offen und spannend war die Wahl des Europaparlament-Präsidenten noch nie. Keiner der sieben Kandidaten hat die erforderliche absolute Mehrheit, um sich bereits im ersten Wahlgang am Dienstagvormittag durchsetzen zu können - Straßburg stellt sich also auf einen Krimi ein…
Die Absprache zwischen den größten Fraktionen - Christdemokraten und Sozialisten - ist geplatzt. Heißt im Klartext: Zieht sich auch im zweiten und dritten Wahlgang keiner der Bewerber zurück, kommt es zu einer Patt-Situation. Erlösung würde dann erst der für 20:00 Uhr angesetzte vierte Wahlgang bringen. Dann ist nämlich keine absolute Mehrheit mehr nötig. Es gewinnt der Kandidat mit den meisten für ihn abgegebenen Stimmen.
Für den Fall hat Antonio Tajani von der EVP als Vertreter der größten Fraktion die besten Karten. Sein Problem: Er gilt als Vertrauter von Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi und hat als ehemaliger Industriekommissar nichts gegen den VW-Abgasskandal unternommen. So oder so wird sich mit Martin Schulz‘ Weggang einiges im EU-Parlament ändern. Vor allem das gute Verhältnis zwischen EU-Kommission und Parlament steht auf der Kippe.
Alain Kniebs - Bild: Emmanuel Dunand/AFP