Im Drama um die in Ost-Aleppo eingeschlossenen Menschen ist weiter offen, wann die Evakuierungsmission wieder anlaufen kann. Die syrische Führung hatte die Transportfahrten am Freitag gestoppt, nachdem es zu Gefechten gekommen war.
Offizielle Aussagen zu einer Wiederaufnahme der Fahrten aus Ost-Aleppo gab es am Samstag zunächst nicht. In den Rebellengebieten warten nach Angaben von Hilfsorganisationen und Aktivisten noch Tausende Menschen darauf, die belagerten Stadtviertel verlassen zu können.
Das Regime in Damaskus und die Opposition hatten sich nach dem Aussetzen der bisherigen Transportfahrten durch die Regierung gegenseitig die Schuld dafür zugeschoben. Russland als enger Verbündeter Syriens erklärte den Transport von Kämpfern und deren Familien aus Ost-Aleppo am Freitag für beendet. Es seien nur noch Kämpfer in den Rebellengebieten, hieß es aus dem russischen Verteidigungsministerium.
Oppositionelle Aktivisten berichteten dagegen, in Ost-Aleppo hielten sich noch Tausenden Zivilisten auf. Für die Menschen in der verwüsteten Stadt ist die humanitäre Situation katastrophal. "Es befinden sich noch viele Menschen im Osten der Stadt", sagte der Leiter des Deutschen Roten Kreuzes, Christof Johnen, am Samstag im Deutschlandfunk. "Es fehlt wirklich an allem." Die Menschen, die bereits aus der Stadt herausgebracht worden seien, befänden sich teilweise in einem schlimmen Gesundheitszustand.
In West-Aleppo seien viele Flüchtlinge in den ehemaligen Lagerhallen einer alten Baumwollfabrik untergebracht worden, berichtete Johnen. "Da leben jetzt die Menschen. Das sind Betonböden oder gestampfte Lehmböden." Es sei kalt, die hygienische oder sanitäre Situation sei furchtbar. Er betonte, dass die Staaten darauf drängen müssten, dass das humanitäre Völkerrecht wieder Geltung erlange.
Der scheidende UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte am Freitag in New York bei seiner letzten Pressekonferenz, dass der Name der umkämpften Stadt inzwischen zu einem Synonym für die Hölle geworden sei. "Das Blutbad in Syrien bleibt ein klaffendes Loch im globalen Gewissen."
US-Präsident Barack Obama prangerte das Vorgehen des Assad-Regimes und Russlands in Syrien mit scharfen Worten an. Das Blut der Syrer klebe an ihren Händen, sagte Obama am Freitag auf einer Pressekonferenz in Washington insbesondere mit Blick auf Aleppo.
Der außenpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Omid Nouripour, bezeichnete das Vorgehen des russischen Militärs in Aleppo als inakzeptabel. Nouripour sagte am Samstag auf NDR Info, Russland sei zweifelsfrei mitschuldig am Tod Tausender Zivilisten. "Es sind Phosphorbomben gefallen, es sind Bunkerbrecher gefallen auf Großgebäude. Und das alles mit der Aussage, dass man Terroristen bekämpfen würde."
Russland hatte als enger Verbündeter der Führung in Damaskus zusammen mit der syrischen Armee Mitte November eine Großoffensive auf die Rebellengebiete in Ost-Aleppo gestartet. Die Stadt war die vergangenen Jahre heftig umkämpft und zwischen dem Regime im Westen und den Aufständischen im Osten geteilt. Vor der Operation hielten sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen 250 000 bis 300 000 Menschen in den Rebellengebieten im Osten auf. "Wir wissen von den Vereinten Nationen, dass vielleicht 6000 Milizen darunter waren", sagte Nouripour. "Und davon waren vielleicht 1000 Dschihadisten. Das rechtfertigt ganz sicher nicht, dass man die Stadt so in Schutt und Asche gelegt hat und dass so viele Kinder und Zivilisten ums Leben gekommen sind", sagte der Grünen-Politiker.
dpa/rkr - Bild: Youssef Karwashan (afp)