Die syrischen Regierungstruppen haben nach erbittertem Kampf die vollständige Kontrolle über die Großstadt Aleppo übernommen. Das sagte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin am Dienstag in New York. Die Gefechte im Osten von Aleppo seien beendet, nun beginne die humanitäre Versorgung der Menschen. Die Rebellen hatten sich zuvor mit dem Regime auf einen Abzug der Kämpfer und Zivilisten geeinigt. Aus Regierungskreisen hieß es, sie sollten die Stadt in Richtung der von oppositionellen Milizen kontrollierten Provinz Idlib verlassen.
Die Armee und verbündete Milizen hatten im November eine Offensive begonnen und seitdem mehr als 90 Prozent der von Regimegegnern gehaltenen Teile Aleppos erobert. Weil die Rebellengebiete seit Monaten unter Blockade stehen, spitzte sich die humanitäre Lage dort immer mehr zu. Bis zum Schluss sollen noch Zehntausende Menschen in wenigen Vierteln Ost-Aleppos ausgeharrt haben. Es fehlt ihnen akut an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung.
Bislang hat die Evakuierung der eingeschlossenen Stadtviertel in Ost-Aleppo noch nicht begonnen. An einer Hauptstraße außerhalb warten 33 Busse auf die Bewohner.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Syrien sprach von katastrophalen Zuständen. Aktivisten befürchteten zudem Vergeltungsakte, sollten sie in die Hände von regierungstreuen Truppen geraten.
Kollaps der Menschlichkeit
Die USA machten Syrien und seine Verbündeten Russland und Iran für einen "kompletten Kollaps der Menschlichkeit" in Aleppo verantwortlich. Die drei Länder stünden hinter "der Eroberung und dem Blutbad in Aleppo" und seien für die in der Stadt verübten Gräueltaten verantwortlich, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, im UN-Sicherheitsrat. Zudem zeigten sie keinerlei Gnade für die Zivilisten.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte seiner Organisation zuvor Kapitalversagen bei der Lösung des Konflikts in Syrien attestiert. "Wir alle haben die Menschen in Syrien bislang kollektiv hängenlassen", sagte Ban in New York. "Der Sicherheitsrat hat seine Hauptaufgabe in Hinblick auf den Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit nicht erfüllt.
Unklar war zunächst, ob auch die Al-Kaida-nahe Fatah-al-Scham-Front (früher: Al-Nusra) abzieht. Ein türkischer Offizieller, der in die Verhandlungen eingebunden war, erklärte, die Einigung umfasse Zivilisten und "moderate Rebellen".
Alle großen Städte wieder unter Regime-Kontrolle
Der Abzug bedeutet einen wichtigen Sieg für die syrische Regierung im fast sechs Jahre dauernden Bürgerkrieg. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad kontrolliert nun wieder alle großen Städte des Landes. Beobachter rechnen trotzdem nicht damit, dass der Bürgerkrieg bald endet. Rebellen beherrschen unter anderem die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat im Norden und Osten Syriens noch große Gebiete unter Kontrolle.
Aleppo war lange Zeit eine der am heftigsten umkämpften Städte im syrischen Bürgerkrieg. Bereits kurz nach Beginn der Kämpfe im Jahr 2012 eroberten verschiedene Rebellengruppen Stadtviertel im Osten der Stadt, während westliche Viertel vom Regime kontrolliert wurden.
dpa/jp - Bild: George Ourfalian/AFP