"Sie wissen, dass es verschiedenlich Spekulationen gegeben hat, von welcher Stelle aus ich zukünftig meine politische Arbeit fortsetzen werde. Diese Entscheidung habe ich nun getroffen. Ich werde nicht für eine weitere Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments kandidieren." Schon damit und direkt am Anfang seiner kurzen Rede beendete Martin Schulz einen Teil der Spekulationen.
Nein, eine Kampfabstimmung zwischen ihm und einem Kandidaten der konservativen EVP-Fraktion um das Amt des Präsidenten des Europaparlaments wird es nicht geben. Die nicht offizielle Vereinbarung zwischen Konservativen und Sozialdemokraten, dass die Präsidentschaft im Europaparlament zur Mitte der Legislaturperiode zur anderen Fraktion wechselt, stellt Schulz nun doch nicht Frage.
Das hatte er lange offengelassen und damit eben diese Spekulationen befeuert, er könne doch bei der EU bleiben. Obwohl der Ruf aus Reihen der SPD in Deutschland schon seit einiger Zeit ziemlich laut hallte.
Hier hält man viele Stücke auf den Mann aus Würselen. Viele können sich ihn als gute Alternative zum Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel als SPD-Kanzlerkandidat vorstellen. Auch als möglicher Nachfolger von noch Außenminister und wahrscheinlich künftigen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Schulz im Gespräch. Doch dazu äußerte sich Schulz nicht.
"Im kommenden Jahr werden ich den Platz eins der Landesliste NRW meiner Partei für den deutschen Bundestag einnehmen und dort zur Wahl antreten." Das war alles, was Schulz heute Vormittag konkret zu seiner politischen Zukunft sagte. Kein Wort zu möglichen Ämtern.
Vielmehr zog Schulz schon mal eine erste Bilanz seiner Zeit im Europaparlament, dem er seit 1994 angehört, obwohl er seine Rede heute noch nicht als Abschied sehen wollte. "Während meiner Zeit als Abgeordneter, als Vorsitzender der sozial-demokratischen Fraktion und als Präsident des Europäischen Parlaments habe ich versucht, einen Beitrag zu leisten, die Sichtbarkeit, die Glaubwürdigkeit europäischer Politik zu erhöhen und den Einfluss der demokratisch und direkt gewählten Vertretung der europäischen Völker zu stärken."
Diese Bemühungen um eine Stärkung des europäischen Projekts, das Schulz als größte zivilisatorische Errungenschaft der vergangenen Jahrhunderte bezeichnete, werde er nun von Berlin aus weiterführen. "Ich werde nun von der nationalen Ebene aus für das europäische Projekt kämpfen. Ich werde mich weiter ein Stück dafür einsetzen, das Leben der Menschen ein bisschen besser zu machen."
"Und ich will mit einer klaren Haltung meinen Beitrag dazu leisten, dass Gräben in unseren Gesellschaften und zwischen den Ländern in Europa geschlossen werden. Denn nur so können wir verloren gegangenes Vertrauen - und es ist viel Vertrauen verloren gegangen - in die Politik zurückgewinnen", sagte Schulz.
War aus diesen Worten schon ein möglicher Kanzlerkandidat Schulz herauszuhören? Das blieb Spekulation. Für weitere Fragen stand er den Journalisten nicht mehr zur Verfügung. Nach den viereinhalb Minuten, die Schulz auf Deutsch gesprochen hatte, wiederholte er seine Rede noch auf Englisch und dann auf Französisch.
In der Sprache von Molière schloss er die Pressekonferenz mit der Ankündigung, dass es schon bald weitere Gelegenheiten geben werde, auf Fragen zu antworten. Für heute sei das alles, was er zu sagen habe.
Hintergrund
Martin Schulz gilt als leidenschaftlicher Europapolitiker. Er wurde am 20. Dezember 1955 in Hehlrath/Eschweiler geboren. 1974 trat er in die SPD ein. In dem kleinen Ort Würselen bei Aachen war er von 1987 bis 1998 Bürgermeister und Buchhändler. Dann begann in Brüssel der Aufstieg von "Mister Europa", der ihn bis an die Spitze des EU-Parlaments führte, dem er seit 2012 vorsteht.
Kay Wagner - Foto: Emmanuel Dunand/AFP