Die Türkei will ungeachtet der schweren Krise im Land nach dem Putschversuch binnen sechs Jahren Mitglied der Europäischen Union werden. "Die türkische Regierung will der EU vor dem Jahr 2023 beitreten", sagte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel der "Welt" (Freitag). Er verwies darauf, dass die türkische Republik im Jahr 2023 hundert Jahre alt werde. "Es wäre die Krönung für mein Land, dann Mitglied der Europäischen Union zu sein", sagte der türkische Diplomat.
Sein Land strebe eine "vollwertige Mitgliedschaft" an. "Für uns wäre es langfristig nicht akzeptabel, nicht zur EU zu gehören. Der EU-Beitritt ist sehr wichtig für uns." Eine EU-Mitgliedschaft würde nach Einschätzung Yenels die Standards in der Türkei in allen Bereichen erhöhen, also in politischen und wirtschaftlichen Fragen, aber auch beim Verbraucher- und Gesundheitsschutz.
Die Türkei spielt bei den Bemühungen der EU, die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen und den Zuzug zu begrenzen, eine entscheidende Rolle. Zuletzt hatte es zwischen Berlin und Ankara mehrfach heftige Verstimmungen gegeben, etwa weil das rigorose Vorgehen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegen tatsächliche und vermeintliche Unterstützer des gescheiterten Putschversuchs auf viel Kritik in Deutschland stößt. Jüngst war zudem eine vertrauliche Analyse aus dem Bundesinnenministerium bekanntgeworden, wonach die Türkei unter Erdogan seit Jahren islamistische und als terroristisch eingestufte Organisationen unterstützt.
"Auch gegenüber der Türkei gilt: Ein gutes Verhältnis ist einem angespannten vorzuziehen, und in diesem Geist führe ich die Gespräche mit Präsident Erdogan", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Der versuchte Putsch mit vielen Todesopfern sei für die Türkei ein schlimmer Einschnitt gewesen. Die Türkei sei als Nato-Mitglied ein wichtiger Partner und für die Lösung etwa des Syrien-Konflikts wichtig. Die Türkei habe drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. "Das ist eine große Leistung. Sie ist damit das Land, das den größten Beitrag zur Lösung der humanitären Katastrophe von Syrien leistet", sagte Merkel.
dpa/est - Bild: Ates Tumer (epa)