Die Zahl der Toten bei dem Putschversuch in der Türkei ist nach Angaben der Regierung auf 265 gestiegen. Bei 161 der Toten handelt es sich laut Ministerpräsident Yildirim um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Hinzu kommen 104 getötete Putschisten, wie es aus Regierungskreisen hieß.
Yildirim sagte, fast 1.200 Menschen seien verletzt und über 2.800 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden. Die Festnahmen dauerten an.
Freitag Abend hatten Teile der Armee verkündet, dass sie die Macht übernehmen. Soldaten bezogen an strategisch wichtigen Punkten in der Hauptstadt Ankara und in Istanbul Position, es waren Panzer zu sehen. In beiden Städten waren auch Kampfflugzeuge und Hubschrauber in der Luft. Auch Samstagmorgen waren noch Schüsse zu hören.
Zunächst sah es so aus, als habe das Militär die Lage in Istanbul unter Kontrolle. In der Nacht aber rief Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Anhänger auf, gegen die Putschisten zu demonstrieren. Daraufhin gingen tausende Menschen auf die Straßen.
Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte nach einer chaotischen Nacht am Samstagmorgen in Istanbul: «Die Türkei wird nicht vom Militär regiert.» Er kündigte an, die Streitkräfte «vollständig zu säubern». Erdogan sagte, bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit im Militär. Fünf Generäle und 29 Oberste sollen nach Angaben aus Regierungskreisen ihrer Posten enthoben worden sein. Der Präsident machte die Bewegung eines einstigen Verbündeten - des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen - für den Putschversuch verantwortlich und kündigte Vergeltung an: «Sie werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen.»
Außenministerium mahnt zu Vorsicht
Wegen des Putschversuches in der Türkei rät das Außenministerium allen Belgiern in der Türkei zu äußerster Vorsicht. Dies sei besonders in Ankara und Istanbul geboten.
Touristen und Geschäftsreisenden wurde empfohlen, Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluglinie aufzunehmen. Noch habe sich Lage nicht definitiv stabilisiert, heißt es. Daher sei in diesen Metropolen Vorsicht geboten.
Vor der türkischen Botschaft in Brüssel versammelten sich in der Nacht rund 300 Türken, die den Militärputsch in ihrer Heimat verurteilten. Sie fordern die Rückkehr zur Demokratie.
Im limburgischen Beringen ist es zeitweise zu Ausschreitungen gekommen. Erdogan-Anhänger hatten sich vor dem dortigen Zentrum des türkischen Regierungskritikers Fethullah Gülen versammelt. Erdogan wirft ihm vor, hinter dem Putschversuch zu stecken.
Airlines streichen Istanbul-Flüge
Die Pläne von Türkei-Reisenden werden durch den Putschversuch durcheinander gewirbelt. Mehrere Airlines haben vor allem Flüge nach Istanbul und Ankara gestrichen, unter anderem Lufthansa, Eurowings und Air Berlin. Auch britische Airlines setzen ihre Flüge in die Türkei aus.
In den Badeorten an der Riviera sieht es anders aus. Die Urlaubsregionen des Landes wie Antalya, Izmir oder Dalaman werden dagegen von zahlreichen Fluggesellschaften planmäßig angeflogen. Reiseveranstalter berichteten am Samstag von nur wenigen Urlaubern, die ihren Türkei-Urlaub wegen der unsicheren Lage nicht antreten oder vorzeitig abbrechen wollten. Viele Veranstalter bieten aber kostenlose Umbuchungen oder Stornierungen an.
Der Reiseveranstalter Thomas Cook forderte Urlauber nach den Unruhen in Istanbul und Ankara auf, «vorsichtshalber bis auf weiteres in ihren Hotels zu bleiben». Die Zahl der belgischen Urlauber, die sich derzeit in der Türkei aufhalten, wurde mit etwa 4.800 angegeben.
dpa/rkr/mh/jp - Bild: Ozan Kose (afp)